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Aktuelles Urteil: Überwachungsvideo trotz datenschutzrechtlicher Bedenken verwertbar

13. Jul 2023

Weist der Arbeitgeber durch Schilder auf eine Kamera hin, können Aufzeichnungen aus einer offenen Videoüberwachung zum Beweis eines vorsätzlich vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers herangezogen werden. Selbst wenn die Überwachungsmaßnahme nicht vollständig im Einklang mit dem Datenschutzrecht steht, sind die Aufzeichnungen im späteren Kündigungsschutzprozess verwertbar (BAG, Urt. vom 29.06.2023, Az.: 2 AZR 296/22).

Sachverhalt: Kündigung in einer Gießerei

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten zuletzt als Teamsprecher in der Gießerei beschäftigt.  Die Beklagte warf dem Kläger vor, das Werksgelände vor Schichtbeginn verlassen zu haben und gleichwohl vergütet worden zu sein. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf einen anonymen Hinweis sowie eine Videoaufzeichnung. Der anonyme Hinweis soll die Beklagte auf einen möglichen Arbeitszeitbetrug des Klägers aufmerksam gemacht haben. Daraufhin erfolgte die Auswertung der Videoaufzeichnung von einer an den Toreingängen des Werksgeländes installierten Kameras, die durch ein Piktogramm ausgewiesen und nicht zu übersehen war. Nach dem Vortrag der Beklagten belegte das Video, dass der Kläger das Werksgelände noch vor Schichtbeginn verlassen habe. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, dass er ordnungsgemäß zur Arbeit erschienen sei. Die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung seien im Kündigungsschutzprozess nicht zu berücksichtigen, da die Aufzeichnungen nicht verwertet werden dürften. Die Überwachung verstoße gegen das Datenschutzrecht. Zudem seien die Aufnahmen länger als 96 Stunden gespeichert worden als ursprünglich angegeben gewesen sei. Er führte an, dass nach der Betriebsvereinbarung Videoaufzeichnungen nicht zur Auswertung personenbezogener Daten verwendet werden dürften.

Dieser Auffassung schlossen sich die Vorinstanzen an und gaben der Kündigungsschutzklage des Klägers statt.

Entscheidung: Abwägung der Interessen

Das BAG hingegen hob die Entscheidung auf und wies die Revision zurück an das Landesarbeitsgericht. Das Gericht bejahte die Verwertbarkeit des Überwachungsvideos.

Zur Begründung führte es aus, dass es keine Rolle spiele, ob die Überwachung den Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes bzw. der Datenschutz-Grundverordnung (nachfolgend DSGVO) entspreche. Eine Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers durch die Gerichte für Arbeitssachen schließe die DSGVO nicht aus. Dies gelte nach dem BAG jedenfalls dann, wenn auf die Videokameras durch Schilder hingewiesen wird und vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. In einem solchen Fall sei es grundsätzlich irrelevant, wie lange der Arbeitgeber für die erstmalige Einsichtnahme des Bildmaterials benötigt und wie lange es schon in dessen Besitz ist.

Das Gericht betonte weiter, dass eine Abwägung der widerstreitenden Interessen stattfinden müsse. Im Fall einer fristlosen Kündigung wegen vorsätzlichen Fehlverhaltens wiege das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts stärker als die Datenschutzinteressen des Arbeitnehmers. Eine Ausnahme sei dann vorzunehmen, wenn die Überwachungsmaßnahme eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellen würde. Dies vereinte das Gericht allerdings im hiesigen Fall.

Für die Praxis

Das BAG folgt seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach Datenschutz nicht automatisch Täterschutz bedeutet. Die Aufnahme der offenen Videoüberwachung muss daher nicht vollständig mit den Vorgaben des Datenschutzrechts übereinstimmen, um verwertet werden zu dürfen. Ob dies in Bezug auf eine verdeckte Videoüberwachung ebenfalls anzunehmen ist, wird durch die Entscheidung des BAG nicht geklärt und bleibt weiterhin abzuwarten.

Pressestelle
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