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Streichung von Urlaubsgeld erlaubt?

26. Jun 2024

Sommerzeit ist Urlaubszeit. So manche Mitarbeitende bekommen für ihre Auszeit von ihrem Arbeitgeber zusätzlich zum eigentlichen Gehalt einen Bonus gezahlt. Nicht selten wird bereits in Stellenanzeigen mit Urlaubsgeld gelockt. Wurde diese Gratifikation jahrelang gezahlt und auf einmal möchte der Arbeitgeber die Zahlung aussetzen, kommt es häufig zu Streitigkeiten.

(Bundesarbeitsgericht (BAG), Urt. v.  21.2.2024 – 10 AZR 345/22)

Sachverhalt

In dem Fall des BAG verklagten drei Arbeitnehmer ihren gemeinsamen Arbeitgeber auf Zahlung von Urlaubsgeld für 2020.

Der Rechtsvorgänger des Arbeitgebers hatte 2008 unter der Überschrift „Infos aus der Personalabteilung“ in einem Rundschreiben, einer sog. Gesamtzusage, eine jährlich zahlbare Urlaubsgratifikation zugesagt. Die Zahlung sollte u.a. von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen und ihre genaue Höhe vom Arbeitgeber im Auszahlungsjahr festgelegt werden. Ein Anspruch sollte aber nicht begründet werden. Daher wurde die Leistung in den „Infos“ als „einmalige, freiwillige und jederzeit widerrufliche soziale Leistung“ bezeichnet.

Die Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Änderung der betrieblichen Entlohnungsgrundsätze holte die Geschäftsleitung im Jahr 2008 nicht ein, da ein Betriebsrat erst später, im Jahr 2013, errichtet wurde. Es gab auch keinen Grund für Beschwerden, da das Unternehmen das versprochene Urlaubsgeld jährlich zahlte.

In dem gratifikationsbezogenen jährlichen Rundschreiben im Jahr 2017 änderte die Geschäftsleitung die Auszahlungsgrundsätze für das Urlaubsgeld geringfügig, indem u.a. ein (anderer) Stichtag für die erforderliche Dauer der Betriebszugehörigkeit festgelegt wurde. Dabei wurde der Betriebsrat nicht beteiligt.

Nachdem die Kläger, die 2016 bzw. 2018 in das Unternehmen eingetreten waren, einige Jahre Urlaubsgeld bekommen hatten, teilte die Geschäftsleitung den Arbeitnehmern im Juni 2020 mit, dass das Urlaubsgeld für das laufende Jahr ausgesetzt werde. Daher erhielten die Kläger für 2020 kein Urlaubsgeld. Auch an dieser Entscheidung wurde der Betriebsrat nicht förmlich beteiligt.

Die Klagen der drei Arbeitnehmer hatten vor dem Arbeitsgericht Paderborn Erfolg, wurden aber in der Berufung vom Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm abgewiesen.

Entscheidung

Der Arbeitgeber berief sich darauf, einen Spielraum bei der Höhe zu haben und 2020 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage und großen Unsicherheiten in Folge der Coronapandemie und Problemen bei den Lieferketten das Urlaubsgeld auf „Null“ habe kürzen dürfen. Zudem bestünden keine Ansprüche, da in den jährlichen Mitteilungen ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt enthalten war, der Bestandteil der Arbeitsverhältnisse geworden sei und nicht gegen das Transparenzgebot verstoße. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt, weil die geltenden Entlohnungsgrundsätze zu einem Zeitpunkt eingeführt worden seien, als noch kein Betriebsrat bestanden habe.

Das Bundesarbeitsgericht war anderer Auffassung als der Arbeitgeber. Nach Auffassung des BAG haben die Arbeitnehmer einen Anspruch auf das volle Urlaubsgeld. Die Ansprüche folgten nach Meinung des Gerichts aus einer Gesamtzusage, zu der sich der Arbeitgeber 2008 verpflichtet habe. Das Schreiben aus 2008 stelle klar, dass es sich nicht nur auf das laufende Jahr beschränke, sondern allgemein die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Urlaubsgeld definiere. Daraus ergebe sich ein Anspruch auf die Zahlung eines Urlaubsgelds, über dessen Höhe der Arbeitgeber jährlich nach billigem Ermessen zu entscheiden habe.

Ohne die Beteiligung des im Jahr 2013 gebildeten Betriebsrats habe der Arbeitgeber die in der Info 2008 getroffene Gesamtzusage in den Folgejahren nicht zu Lasten der Beschäftigten inhaltlich umgestalten können.  Der Betriebsrat hatte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in den Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen, mitzubestimmen. 

Die Festsetzung des Urlaubsgelds für das Jahr 2020 auf „Null“ entsprach nicht billigem Ermessen, urteilte das BAG. Der Arbeitgeber habe dafür zu wenig über die tatsächliche wirtschaftliche Lage vorgetragen. Im Ergebnis sei das Urlaubsgeld der Mitarbeitenden auf die maximale Höhe festzusetzen.

Für die Praxis

Der 10. Senat setzt die Rechtsprechung des BAG zur Reichweite des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fort. Bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern besteht danach ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei sämtlichen Fragen der Lohngestaltung – mit Ausnahme der reinen Entgelthöhe. Nicht tarifgebundene Arbeitgeber müssen daher bei jeder Änderung der Vergütungsstruktur die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Das BAG stellt ausdrücklich klar, dass allein die Hinnahme eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers die ausdrückliche Zustimmung nicht ersetzt.

Frauke Syring
Frauke Syring

Referentin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im HAUS DER ARBEITGEBERVERBÄNDE NORDHESSEN und Geschäftsführerin SCHULEWIRTSCHAFT Nordhessen
Telefon: 0561 1091-323
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