Fragen an den Geschäftsführer: Carsten Rahier
Heute starten wir mit unserem neuen Interview-Format „Fragen an den Unternehmer". Es hat zum Ziel, Unternehmer mit ihren Unternehmen vorzustellen. Auf sieben Fragen werden Antworten auf wesentliche Einstellungen und Meinungen gegeben; persönlich, authentisch und unterhaltsam. An der Reihe, die sich im Abstand von zwei Monaten fortsetzt, können alle AGV-Mitglieder teilnehmen.
Wir eröffnen die Serie mit unserem Vorsitzenden, Dipl.-Wi.-Ing. Carsten Rahier, MBA. Er ist Geschäftsführer unseres Mitgliedunternehmens sera Group in Immenhausen.
Herr Rahier, seit wann besteht Ihr Unternehmen, wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie und was bietet das Unternehmen?
Gleich nach Kriegsende 1945 gründeten Reinhold Seybert und Hubert Rahier ein gemeinsames Unternehmen, um metallische Waren herzustellen. Durch Kontakte zur chemischen Industrie erkannten sie früh einen aufkommenden Bedarf an dosiergenauen Säurepumpen und entwickelten die erste oszillierende Doppelmembrandosierpumpe und legten so den Grundstein für die sera Unternehmensgruppe.Heute zählen wir mit 220 Mitarbeitern zu den weltweit führenden Herstellern von innovativen Produkt- und Systemlösungen im Bereich der messgenauen Dosier- und Kompressorentechnik. Unser internationales Vertriebs- und Servicenetz mit 3 Tochterunternehmen in England, Spanien und Südafrika sowie unseren weltweit über 30 Repräsentanzen gewährleistet eine optimale Betreuung unserer Kunden vor Ort.
Unsere Produkte sind überall zu finden: sie sorgen weltweit für sauberes Trinkwasser, eine hohe Wasserqualität in Schwimmbädern oder unterstützen Desinfektions- und Reinigungsprozesse in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Produktlösungen von sera finden sie in vielen Branchen, ob in der Wasseraufbereitung, Abwasserbehandlung, Energieerzeugung, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, der Chemie, der Petrochemie oder der Pharmaindustrie.
Mit unserem Geschäftsbereich Kompressorentechnik sorgen wir für genaueste Kompression und Förderung von hochreinen Gasen. Weltweit sind wir auch hier für viele verschiedene Kunden aktiv. Unser Spektrum reicht dabei von der Chemie und Petrochemie, Gasindustrie, Metall- und Stahlindustrie bis hin zur konventionellen und regenerativen Energieerzeugung. Zudem beschäftigen wir uns intensiv mit innovativen Zukunftslösungen für die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger. So haben wir im Mai 2016 auf unserem Werksgelände die erste Wasserstofftankstelle in Nordhessen eröffnet.
Wir legen bei sera außerdem großen Wert auf eine moderne und attraktive Unternehmenskultur. So bieten wir unseren Mitarbeitern neben Vertrauensarbeitszeit und leistungsgerechter Entlohnung auch Mehrwerte, wie z.B. täglich kostenloses Obst und Wasser. Außerdem haben wir bereits vor einigen Jahren das „Duzen“ untereinander eingeführt. Wir wollen so ein Klima schaffen, das es allen leicht macht, gemeinsam mehr zu erreichen.
Wie sind Sie zum Geschäftsführer geworden?
Mir wurde es faktisch mit in die Wiege gelegt. Denn ich bin in einen Unternehmerhaushalt hineingeboren worden und mit unternehmerischem Handeln aufgewachsen. Ich denke, das hat mich schon früh geprägt. Als Schüler habe ich mir schon früh durch Ferienjobs mein Taschengeld aufgebessert. Durch die plötzliche Erwerbsunfähigkeit meines erkrankten Vaters musste ich mir mein Abitur und mein späteres Studium durch Jobs größtenteils selbst finanzieren. Als Student in Karlsruhe habe ich dann 1991 mein erstes Unternehmen gegründet und für mittlere und größere Firmen IT-Dienstleistungen erbracht. Das war lukrativ, interessant und erfahrungsreich. Durch die Selbstständigkeit und mein zügiges Studieren hatte ich zwar kein richtiges Studentenleben, dafür aber frühe finanzielle und persönliche Unabhängigkeit.
Diese wichtigen ersten Erfahrungen als Unternehmer waren vermutlich auch meine unbewusste Triebfeder, das Familienunternehmen sera zu übernehmen und in der dritten Familiengeneration global aufzustellen, zu internationalisieren und stetig weiter zu entwickeln.
Was schätzen Sie daran, Geschäftsführer zu sein?
Ein hohes Maß an Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und unternehmerische Freiheit zu haben, um eigene Visionen und Ideen zu verwirklichen und mit tollen Menschen etwas gemeinsam zu entwickeln und aufzubauen. Eben Mehrwerte für den Menschen und die Umwelt zu schaffen.
Wie viel Freizeit haben Sie und was machen Sie damit?
Ich habe eigentlich wenig ungeplante Zeit, aber - wie ich finde - noch genügend "freie Zeit" für meine Familie, Freunde, meine Hobbies und letztlich mich selbst. Es kommt aber auch mal vor, dass letztere zu knapp bemessen ist, da ich vielseitig interessiert bin und meine zahlreichen Ehrenämter zeitweise mehr Ressourcen beanspruchen. Der römische Dichter Juvenal (60-127 n. Chr.) hat einmal gesagt: "Mens sana in corpore sano" oder mit unseren Worten: "In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist".
Deshalb halte ich mich einigermaßen fit durch regelmäßiges Laufen, Fitness, Radfahren und zeitweise auch durch Tennis und Schwimmen. Darüber hinaus fahre ich im Winter leidenschaftlich gern Ski. Im Sommer steht dann zumeist Windsurfen oder Segeln auf meinem Urlaubs- oder Freizeit-Programm
Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für unsere Region und haben Sie Lösungsansätze?
Nordhessen hat sich in den letzten 15 Jahren kontinuierlich positiv entwickelt und sich als starke Wirtschaftsregion in der Mitte von Deutschland etabliert. Diese positive Entwicklung fortzuschreiben wird eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre werden.
Dazu bedarf es gemeinsamer Anstrengungen. So müssen gemeinsame Ziele für Nordhessen entwickelt werden und die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen verantwortlichen Menschen in der nordhessischen Region weiter intensiviert werden. Dazu gehört eine engere Kooperation von Stadt und Landkreis. Dies gilt aber auch grundsätzlich für die Vernetzung von Wirtschaft, Politik, Verbänden, Kammern, Bildungsträgern, Kultureinrichtungen und Spitzensport in der Region.
Eine weitere Herausforderung wird der demografische Wandel für Nordhessen werden. Die bereits in einigen Regionen einsetzende Landflucht und der immer stärker werdende Fachkräftemangel erfordert schon heute Lösungen, wie wir gut ausgebildeten Nachwuchs entwickeln und in Nordhessen halten können. Die anwendungs- und praxisorientierte Forschung zwischen Universität und Unternehmen muss daher weiter ausgebaut und die universitären Aktivitäten als Gründeruniversität weiter vorangetrieben werden. Denn nur so können wir Entrepreneurship von jungen Menschen fördern und optimale Rahmenbedingungen für Start-Ups schaffen, wie z.B. den Science-Park an der Uni, UniKasselTransfer usw.
Darüber hinaus sollten wir aber auch schon viel früher ansetzen. Es müssen viel mehr Brücken zwischen Schule und Wirtschaft gebaut werden und zwar bereits ab der Sekundarstufe 1.
Nicht zuletzt gilt es, die wichtigen Infrastrukturprojekte aktiv anzugehen und zu lösen. Dazu gehören die Zukunft des Flughafens Calden, die Anbindung der A49, eine Nordtangente für Kassel. Aber auch der Ausbau des Breitbandnetzes für Nordhessen ist enorm wichtig.
Warum sind Sie Mitglied im Arbeitgeberverband geworden und was schätzen Sie besonders am AGV?
Grundsätzlich glaube ich, dass wir als Unternehmer gemeinsam stärker sind als allein. Durch die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband erhalten wir die Möglichkeit, in einen Informationsaustausch mit anderen verantwortlich Handelnden in der nordhessischen Region und darüber hinaus zu treten und können uns so ein starkes Netzwerk aufbauen. Daneben erhalten wir Zugang zu einer optimalen arbeitsrechtlichen und -wissenschaftlichen Beratung und Betreuung und können an interessanten Fachveranstaltungen und Bildungsangeboten teilnehmen. Und natürlich bin ich vor allem auch Mitglied geworden, um die Tarifpolitik aktiv mitzugestalten.
Wie könnte man Ihrer Meinung nach den Unternehmergeist bei Jugendlichen wecken?
Es ist wichtig, dass wir jungen Leuten ein positives Unternehmerbild mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten und Chancen aufzeigen. Dies gelingt vor allem dann, wenn wir Unterstützung und Raum geben für innovative Ideen, wenn sich Nachwuchskräfte ausprobieren dürfen.
Wir müssen mehr Start-Ups fördern, frühzeitig Brücken bauen zwischen Schule und Wirtschaft. Die Arbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT ist da ein wichtiger Baustein, der u.a. durch Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen sowie der Uni Kassel weiter ausgebaut werden muss.
Dazu gehört aber auch in der Folge die Akzeptanz und der Respekt für mutige, chancenorientierte Jugendliche, auch wenn der ein oder andere einmal scheitert. Nur wenn wir dies aktiv begleiten, können wir Jugendliche dafür begeistern, vielleicht irgendwann einmal selbst als Unternehmer Verantwortung zu übernehmen.