82 Fragen und Antworten zu Corona und Arbeitsrecht
Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten (FAQ) zu den arbeitsrechtlichen Folgen der Corona-Pandemie. Die Liste der FAQs wird in regelmäßigem Abstand aktualisiert.
Homeoffice, Entschädigungsanspruch, Impfen, Fragerecht des Arbeitgebers: Wir beantworten 82 Fragen zum Arbeitsrecht während Corona
Neu: Kapitel C, Frage 6
A. Präventionsmaßnahmen und Arbeitsschutz
1. Ist der Arbeitgeber zu gesteigerten Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb aufgrund der Corona-Pandemie gesetzlich verpflichtet?
Aufgrund der hochdynamischen Lage während der Corona-Pandemie ist der Arbeitgeber fortlaufend gehalten, seine Maßnahmen im Bereich des Arbeitsschutzes zu überprüfen. Dazu gehört u.a. auch Anpassungen an Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und die Mitarbeitenden zu unterweisen. Dabei wird mit der Neufassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung ein neuer flexibler Ansatz für die Arbeitgeber gewählt. Aufgrund der spezifischen Gefährdung im Betrieb sollen anhand der durchzuführenden Gefährdungsbeurteilungen Schutzmaßnahmen abgeleitet werden. Zu berücksichtigen sind dabei das regionale Infektionsgeschehen und besondere tätigkeitsspezifische Infektionsgefährdungen.
Um die Arbeitgeber dabei zu unterstützen wurde der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard entwickelt. Hier wurden Aufgaben der beteiligten Kreise und Stellen klarer gefasst und die bisher enthaltenen Beschreibungen konkreter Maßnahmen zum betrieblichen Infektionsschutz gestrichen. Dies dient der Vermeidung von Doppelregelungen. Der Standard kann auf der Homepage des Bundesarbeitsministeriums abgerufen werden.
Neben dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard existiert die am 24.11.2021 zuletzt aktualisierte SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel. Diese kann auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit abgerufen werden.
2. Wie können Betriebe das zum Infektionsschutz aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht Erforderliche umsetzen?
Die grundlegenden Maßnahmen sind in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel beschrieben. Diese kann auf der Homepage der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit abgerufen werden.
Die Einhaltung und Umsetzung dieser Vorgaben und Maßnahmen des Arbeitsschutzes zum betrieblichen Infektionsschutz entfalten Vermutungswirkung. Deshalb ist bei Umsetzung der in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel beschriebenen Maßnahmen davon auszugehen, dass die jeweiligen Anforderungen für einen wirksamen Infektionsschutz erfüllt sind.
Weiterhin wird auf die branchenspezifischen Konkretisierungen dieses SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards durch die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften) und auf die von den staatlichen Arbeitsschutzbehörden zur Verfügung gestellten Informationen verwiesen. Diese stellen weitere Hilfestellungen für Arbeitgeber und Beschäftigte dar.
3. Ist der Arbeitgeber zur Anschaffung von Desinfektionsmitteln und Mundschutz verpflichtet? Darf er dessen Verwendung anordnen?
Gem. § 618 Abs. 1 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet zumutbare Schutzvorkehrungen zu ergreifen. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, sämtliche Risiken durch Schutzvorkehrungen zu beseitigen.
Mit dem durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgelegten „SARS-CoV-2-Arbeitschutzstandard“ werden entsprechend dem TOP-Prinzip des Arbeitsschutzes Maßnahmen für die betriebliche Umsetzung vorgeschlagen. Mit der Umsetzung der darin und in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllt der Arbeitgeber seine Schutzpflichten nach § 618 BGB sowie § 3 ArbSchG.
Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen oder geeignete organisatorische Maßnahmen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens einen Mund-Nase-Schutz (MNS) zum gegenseitigen Schutz tragen. Ergibt die Gefährdungsbeurteilung, dass ein Schutz der Beschäftigten durch MNS nicht ausreichend ist und Masken mit der Funktion des Eigenschutzes notwendig sind, sind die in Anhang 2 zur SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel bezeichneten Atemschutzmasken bereitzustellen. Davon ist insbesondere auszugehen, wenn
a) bei ausgeführten Tätigkeiten mit einer Gefährdung durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist (z.B. lautes Sprechen oder andere Tätigkeiten, die aufgrund der Arbeitsschwere zu einem deutlich erhöhten Atemvolumen führen) oder
b) bei betriebsbedingten Tätigkeiten mit Kontakt zu anderen Personen eine anwesende Person keine Maske tragen muss.
Müssen MNS oder Atemschutzmasken getragen werden, sind diese vom Arbeitgeber in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen. Die Beschäftigten haben diese zu tragen.
Die Verwendung von MNS und Atemschutzmasken führen zu höheren Belastungen. Ist die regelmäßige Benutzung von Atemschutzmasken als Maßnahme des betrieblichen Infektionsschutzes unumgänglich, hat der Arbeitgeber zu ermitteln, ob Gefährdungen mit dem Tragen der Masken verbunden sind. Hierbei hat er neben der maskenspezifisch höheren Belastung (zum Beispiel höherer Atemwiderstand aufgrund des Filterwiderstandes der Filtermaterialien oder Wärmebelastung durch höhere Wärmeisolation der Masken) insbesondere folgende Einsatzbedingungen zu beachten:
(1) die Art der zu verrichtenden Tätigkeit im Hinblick auf die Arbeitsdauer, die Körperhaltung und die Arbeitsschwere (leichte, mittlere oder schwere körperliche Belastung),
(2) die Umgebungsbedingungen (insbesondere die Raumtemperatur, Hitze, Kälte, hohe oder niedrige Luftfeuchtigkeit, Verschmutzungen),
(3) die Dauer der Arbeitsverrichtung im Rahmen einer Arbeitsschicht und die Möglichkeit einer zeitlichen Begrenzung,
(4) zusätzliche Belastungen durch das Tragen weiterer persönlicher Schutzausrüstung,
(5) die arbeitsablaufbedingte Möglichkeit zur kurzfristigen Unterbrechung der Trageverpflichtung oder zur Ausübung einer anderen Tätigkeit ohne Trageverpflichtung für die Beschäftigten,
(6) das Vorliegen von Vorerkrankungen (zum Beispiel Atemwegserkrankungen) oder individuellen Faktoren (zum Beispiel Schwangerschaft).
4. Ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei festgestellten Verstößen gegen betriebliche Corona-Schutzmaßnahmen durch Arbeitnehmer einzuschreiten und mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu reagieren?
Der Arbeitgeber ist u.E. verpflichtet, mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen auf Verstöße gegen Corona-Schutzmaßnahmen gegenüber Arbeitnehmern zu reagieren, um künftigen Verstößen vorzubeugen und seine Schutzpflichten gegenüber der übrigen Belegschaft zu erfüllen. Nach §§ 3, 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und § 618 BGB hat der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern besondere Schutzpflichten, die nunmehr durch den SARS-CoV-Arbeitsschutzstandard, die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln und die Corona-Arbeitsschutzverordnung konkretisiert wurden. An die Einhaltung dieser Vorgaben sind die Arbeitnehmer gem. § 15 ArbSchG gebunden, mit einem Verstoß gefährden diese Arbeitnehmer auch die übrige Belegschaft. Insoweit ergibt sich eine Handlungspflicht für den Arbeitgeber.
5. Welche Handlungspflichten sind aus der neuen Corona-Arbeitsschutzverordnung für die Arbeitgeber abzuleiten?
a) Allgemeines/ Ziel und Anwendbarkeit der Corona-ArbSchV
Auch nach der geänderten Corona-Arbeitsschutzverordnung, soll das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei der Arbeit minimiert und die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden. In § 1 Abs. 2 Corona-ArbSchV wird klargestellt, dass bereits erlassene Arbeitsschutzverordnungen und abweichende Vorschriften der Länder zum Infektionsschutz im Zusammenhang mit der Betreuung von Kindern sowie weitergehende Vorschriften der Länder und die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregeln unberührt bleiben. Diese sind also weiterhin zu beachten. Durch § 1 Abs. 3 Corona-ArbSchV wird die hohe Bedeutung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel für die Prüfung und Umsetzung der innerbetrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen betont.
Die Corona-ArbSchV tritt am 25.05.2022 außer Kraft.
b) Pflicht zur Überprüfung der Gefährdungsbeurteilungen und Erstellung eines betrieblichen Hygienekonzepts
Durch § 2 Corona-ArbSchV ist der Arbeitgeber verpflichtet, die nach §§ 5, 6 ArbSchG bestehenden Gefährdungsbeurteilungen zu aktualisieren und daraus Basisschutzmaßnahmen abzuleiten. Diese abgeleiteten Schutzmaßnahmen sollen dann auch für den Pausenbereich und die Pausenzeiten gelten.
Um eine Transparenz der betrieblichen Infektionsschutzmaßnahmen zu erhalten, sind die getroffenen Schutzmaßnahmen in einem Hygienekonzept zusammenzufassen. Auch finden sich weiterführende Hinweis zur Erstellung eines Hygienekonzeptes in branchenbezogenen Handlungshilfen der Unfallversicherungsträger.
Dieses Hygienekonzept ist in der Arbeitsstätte den Beschäftigten in geeigneter Weise zugänglich zu machen (z.B. im Intranet oder am schwarzen Brett). Bzgl. der darin festgelegten Maßnahmen sind die Beschäftigten zu unterweisen.
c) Basisschutzmaßnahmen
Bei der Festlegung der zu treffenden Maßnahmen hat der Arbeitgeber insbesondere das regionale Infektionsgeschehen sowie besondere tätigkeitsspezifische Infektionsgefahren zu beachten. Durch den gewählten flexiblen Ansatz sind die in der Corona-ArbSchV aufgeführten Maßnahmen bis auf wenige Ausnahme nur noch exemplarische aufgezählt.
Allen organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber im Zuge der Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung vornimmt, hat er sich am „TOP-Prinzip“ zu orientieren. Danach haben technische und organisatorische Maßnahmen Vorrang vor persönlichen.
Deshalb sollen z.B. betriebliche Zusammenkünfte, wie Besprechungen, auf ein absolutes Minimum reduziert werden bzw. durch Informationstechnologien ersetzt werden. Sollte dies nicht möglich sein, sind insbesondere Abtrennungen zu installieren und intensives und fachgerechtes Lüften vorzusehen.
aa) Arbeit im Homeoffice
Um weiterhin betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren, sollen Innenräume, wenn möglich, nicht von mehreren Personen genutzt werden. Es soll deshalb durch den Arbeitgeber geprüft werden, ob im Fall der Büroarbeit oder vergleichbarer Tätigkeiten, diese nicht in deren Wohnung ausgeführt werden könnten (Homeoffice/mobiles Arbeiten). Beachten Sie: Durch den Wegfall des § 28b Abs. 4 IfSG besteht keinerlei Angebots-/Annahmepflicht zur Arbeit im Homeoffice.
bb) Maskenbereitstellung
Nach der Corona-ArbSchV sind bei Tätigkeiten, bei denen keine technischen oder organisatorischen Schutzmaßnahmen (geringere Raumbelegung, Abstandsregelung, Trennwände) möglich sind, bei körperlich anstrengende Tätigkeiten oder bei Tätigkeiten, bei denen aufgrund der Umgebungsbedingungen lautes Sprechen erforderlich ist und in der Folge verstärkt eventuell virenbelastete Aerosole ausgeschieden werden, medizinische Gesichtsmasken (Mund-Nase-Schutz) oder alternativ Atemschutzmasken (z.B. FFP2-Masken) zur Verfügung zu stellen.
Bei der Zurverfügungstellung des MNS oder der Atemschutzmasken sind die entsprechenden Kennzeichnungen zu beachten. Eine genaue Auflistung findet sich in der Anlage zur Corona-Arbeitsschutzverordnung.
Gem. § 12 ArbSchG sind die Beschäftigten im An- und Ablegen der Masken zu unterweisen. Wenn Atemschutzmasken zum Einsatz kommen sollen, ist diese Unterweisung, so die Verordnungsbegründung, durch eine fachkundige Person durchzuführen.
Beim Einsatz von Atemschutzmasken sind Tragezeitbegrenzungen zu beachten. Nähere Informationen können der DGUV-Regel 112-190 „Benutzung von Atemschutzgeräten“ entnommen werden. Jedoch können die einzuhaltenden Erholungspausen dadurch reduziert oder gar in Wegfall gebracht werden, wenn während der Arbeitszeit ausreichend Phasen vorhanden sind, die ein Ablegen der Maske ermöglichen. Ferner sind bei der durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung individuelle Belastungsfaktoren zu berücksichtigen. Hier ist jeder Einzelfall gesondert zu prüfen.
Sonderthema: Befreiung von der Maskenpflicht durch ärztliches Attest
Fraglich ist, wie mit Arbeitnehmern umzugehen ist, die aufgrund ihrer Tätigkeiten und der Corona-ArbSchV eigentlich zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske bzw. einer FFP2-Maske verpflichtet wären, aber über ein ärztliches Attest verfügen, welches sie vom Tragen einer Maske befreit.
Nach einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg (bestätigt durch das LAG Köln) sind überhaupt nur solche Atteste zu berücksichtigen, die konkrete und nachvollziehbare Angaben dazu enthalten, warum eine Maske nicht getragen werden könne. Der Arbeitgeber sollte daher in jedem Fall überprüfen, ob die Befreiung vom Tragen einer Maske wirklich medizinisch indiziert ist und keine „Blanko-Atteste“ ohne Angabe von Gründen akzeptieren.
Sofern keine Zweifel daran bestehen, dass die Befreiung von der Maskenpflicht tatsächlich medizinisch indiziert ist, hat das regelmäßig zur Folge, dass der Arbeitnehmer nicht auf seinem eigentlichen Arbeitsplatz beschäftigt werden kann. Der Arbeitgeber sollte daher zunächst durch Umorganisation versuchen, den Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen, bei dem er gemäß der Corona-ArbSchV nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet ist.
Sollte die Zuweisung einer anderen Tätigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich sein, stellt sich die Frage welche konkreten Auswirkungen dies auf die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers hat. Solange keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt, besteht jedenfalls keine Entgeltfortzahlungspflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Man könnte die Ansicht vertreten, dass die Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer gemäß § 275 BGB unmöglich geworden ist und daher auch die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach § 326 Abs.1 BGB grundsätzlich entfällt.
Da nach unserer Kenntnis zu dieser Frage bisher nur die oben genannte Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg (bestätigt durch das LAG Köln) existiert, kann sie jedoch noch nicht eindeutig beantwortet werden. Hier wird jeder Einzelfall gesondert überprüft werden müssen. Darüber hinaus sollte jedoch stets vorrangig versucht werden, durch Einbeziehung des betroffenen Arbeitnehmers, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
cc) Corona-Test
Nach der geänderten Corona-Arbeitsschutzverordnung kann als Basisschutzmaßnahme auch weiterhin den Beschäftigten, die nicht ausschließlich in ihrer Wohnung arbeiten mindestens einmal pro Kalenderwoche kostenfrei ein Test angeboten werden.
Die bisherige Dokumentationspflicht hinsichtlich der Nachweis über die Beschaffung solcher Tests entfällt.
dd) Schutzimpfungen
In der neuen Corona-ArbSchV wird mit § 3 die Regelung zum Thema Schutzimpfungen beibehalten. Daraus sind zwei Pflichten für den Arbeitgeber abzuleiten (zwingend umzusetzen!):
(1) Freistellungspflicht
Der Arbeitgeber wird zukünftig die Beschäftigten freistellen müssen, wenn diese während der Arbeitszeit sich impfen lassen wollen. Im Verordnungstext nicht geregelt ist, ob dies bezahlt oder auch unbezahlt möglich ist.
Stehen betriebliche Belange der Freistellung entgegen, besteht kein Anspruch des Beschäftigten auf Freistellung.
(2) Informationspflicht
Nach der Corona-ArbSchV sind die Beschäftigten im Rahmen der Unterweisung über die Gesundheitsgefährdung bei der Erkrankung an COVID-19 aufzuklären und über die Möglichkeit einer Schutzimpfung zu informieren. Die Corona-ArbSchV umfasst damit eine Klarstellung und Erläuterung der bestehenden Pflicht zur Unterweisung nach dem Arbeitsschutzgesetz.
Eine beispielhafte und empfehlenswerte Unterweisungshilfe finden Sie bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, inklusive Folien und Erläuterungen auf den nachfolgenden Seiten. Darin werden kompakt Gesundheitsgefährdungen, Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus und die Impfthematik behandelt. Das Schulungsmaterial richtet sich an Unternehmen und Verantwortliche im Betrieb und unterstützt bei der Unterweisung der Beschäftigten:
Laut Auskunft des Bundesarbeitsministeriums ist bei der Unterweisung der Beschäftigten zu bestehenden Impfangeboten folgendes zu beachten:
„Der Arbeitgeber kann entscheiden, auf welche Impfangebote er hinweisen oder welche Impfangebote er unterstützen möchte, z.B. Impfangebote im Betrieb durch den betriebsärztlichen Dienst, Absprachen mit mobilen Impfteams oder Impfärzten in der Nähe seines Betriebes. Über die jeweiligen Anbieter hat er die Beschäftigten zu informieren.
Die Impfaufklärung selbst gehört nicht zum Pflichtenkreis des Arbeitgebers. Die Beantwortung von Fragen zur COVID-19-Erkrankung, zu deren Behandlungsmöglichkeiten, zur Durchführung der Impfung und möglichen Kontraindikationen, zu Beginn und Dauer des Impfschutzes, zum Verhalten nach der Impfung, zu möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen und Impfkomplikationen sowie zur Notwendigkeit von Folge- und Auffrischimpfungen ist ausschließlich eine ärztliche Aufgabe und obliegt dem/der jeweiligen Arzt/ Ärztin, insbesondere dem/der die Impfung durchführenden Arzt/Ärztin.“
Auf der BDA-Website finden Sie unter der Rubrik “Aufklärung & Impfung” auch allgemeine Informationen zu Vorteilen und Risiken der Corona-Schutz-impfung. Möchten Sie auf Impfangebote bzw. Impftermine hinweisen, können Sie auf folgende Webseiten verweisen:
- https://www.116117.de/de/corona-impfung.php
- https://www.zusammengegencorona.de/impfen/
- https://www.zusammengegencorona.de/impfen/hier-wird-geimpft-in-ganz-deutsch-land/?articlefilter=alleartikel
- https://www.jameda.de/info/corona-impftermine/?utm_source=newsletter&utm_me-dium=email&utm_campaign=210414_NL_IP_WarmUP_Mail6
B. Umgang mit Reiserückkehrern
1. Worauf ist zu achten, wenn sich ein Arbeitnehmer beruflich oder privat bedingt im Ausland aufgehalten hat?
Bei Reiserückkehrern sind die Regelungen der Coronavirus-Einreiseverordnung zu beachten, welche zuletzt am 18. März 2022 aktualisiert worden sind. Auch nach dieser aktualisierten Fassung gelten weiterhin bestimmte corononabezogene Regeln für die Einreise nach Deutschland.
Von Reiserückkehrern sind grundsätzlich bestimmte Nachweis-, Anmelde- und Absonderungspflichten einzuhalten. Daneben ist eine etwaige Einstufung in sog. Hochrisikogebiete oder Virusvariantengebiet zu beachten.
Die Einstufung als Hochrisikogebiet erfolgt seit dem 3. März 2022 nur noch für solche Gebiete, in denen eine hohe Inzidenz in Bezug auf die Verbreitung von Varianten mit im Vergleich zur Omikron-Variante höheren Virulenz, also krankmachenden Eigenschaften besteht. Es erfolgt somit keine Ausweisung mehr von Hochrisikogebieten aufgrund der Verbreitung der Omikron-Variante.
Derzeit werden keine Staaten als Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet eingestuft.
Aktuelle Informationen zur Einstufung finden Sie hier:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html
Die Coronavirus-Einreiseverordnung gilt in ihrer aktuellen Fassung bis zum 28. April 2022.
2. Welche Nachweispflichten bestehen bei Reiserückkehrern?
Die Coronavirus-Einreiseverordnung beinhaltet eine generelle Nachweispflicht für alle Einreisende unabhängig von der Art des Verkehrsmittels und unabhängig davon, wo der Voraufenthalt stattgefunden hat. Mithin müssen alle Personen ab 12 Jahren grundsätzlich bei der Einreise über ein negatives Testergebnis, einen Impfnachweis oder einen Genesenennachweis verfügen.
Genesenennachweis: Der Genesenennachweis muss gemäß § 2 Nummer 7 Coronavirus-Einreiseverordnung grundsätzlich den in § 22a Absatz 2 Infektionsschutzgesetz dargelegten Kriterien entsprechen.
Impfnachweis: Der Impfnachweis muss gemäß § 2 Nummer 9 Coronavirus-Einreiseverordnung grundsätzlich den in § 22a Absatz 1 Infektionsschutzgesetz dargelegten Kriterien entsprechen.
Testnachweis: Der Testnachweis muss gemäß § 2 Nummer 6 Coronavirus-Einreiseverordnung den in § 22a Absatz 3 Infektionsschutzgesetz dargelegten Kriterien bzw. den Kriterien in § 2 Nummer 6 b) Coronavirus-Einreiseverordnung entsprechen.
Digitale COVID-Zertifikate der EU: Für digitale COVID-Zertifikate der EU nach der Verordnung (EU) 2021/953 stellt die Coronavirus-Einreiseverordnung in § 2 klar, dass diese ebenfalls als Impf-, Genesenen- oder Testnachweis im Sinne der Coronavirus-Einreiseverordnung gelten
Welche Nachweispflichten bestehen bei der Rückkehr aus Virusvariantengebieten?
Bei Voraufenthalt in einem Virusvariantengebiet bestehen spezielle Nachweispflichten: Reisende, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, müssen dem Beförderer immer einen negativen Testnachweis vorgelegen, der auf einer Testung mittels Nukleinsäurenachweis (PCR, PoC-NAAT oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) beruht. Ein Impf- oder Genesenennachweis reicht nicht aus. Auch bei der Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs nach Deutschland durch die Bundespolizei kann der Nachweis verlangt werden. Der Testnachweis muss sich jeweils auf einen Test beziehen, der maximal 48 Stunden zurückliegt. Für die Berechnung dieser Zeiträume ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Einreise maßgeblich.
3. Welche Anmeldepflichten bestehen für Reiserückkehrer aus Hochrisiko-/Virusvariantengebieten?
Reisrückkehrer sind bereits vor der Einreise verpflichtet, eine digitale Einreiseanmeldung vorzunehmen, wenn sie zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben. Die digitale Einreiseanmeldung erfolgt über die Homepage www.einreiseanmeldung.de. Nach vollständiger Angabe aller notwendigen Informationen erhält man eine PDF-Datei als Bestätigung. Diese Bestätigungsdatei werden in der Regel von den Beförderern vor der Beförderung kontrolliert. Eine Beförderung kann bei Nichtvorliegen der Bestätigung nicht erfolgen.
Nach § 10 Abs. 1 CoronaEinreiseV gilt derzeit ein allgemeines Beförderungsverbot für Reisende aus Virusvariantengebieten. Nur für bestimmte Personengruppen und bestimmte Reisezwecke existieren Ausnahmen in § 10 Abs. 2 CoronaEinreiseV (z.B. für deutsche Staatsangehörige oder Personen mit Wohnsitz in Deutschland).
4. Welche Quarantänepflichten bestehen für Reiserückkehrer aus Hochrisiko- bzw. Virusvariantengebieten?
Personen, die sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet eingestuften Gebiet aufgehalten haben, müssen sich grundsätzlich direkt nach Ankunft nach Hause - oder in eine sonstige Beherbergung am Zielort - begeben und absondern (häusliche Quarantäne).
Bei Voraufenthalt in einem Hochrisikogebiet beträgt die Quarantänezeit grundsätzlich 10 Tage, bei Voraufenthalt in einem Virusvariantengebiet beträgt sie grundsätzlich 14 Tage.
5. Unter welchen Voraussetzungen kann die 10/14-tägige Quarantänepflicht vorzeitig beendet werden bzw. wann ist keine Quarantäne erforderlich?
Hochrisikogebiet: Die häusliche Quarantäne kann vorzeitig beendet werden, wenn ein Genesenennachweis, ein Impfnachweis oder ein negativer Testnachweis über das Uploadportal der digitalen Einreiseanmeldung übermittelt wird. Für den Upload der Nachweise sollte der individuellen Link auf der Anmeldebestätigung (PDF-Dokument) genutzt werden. Die Quarantäne endet mit dem Zeitpunkt der Übermittlung. Wird ein Genesenen- oder Impfnachweis bereits vor Einreise übermittelt, so ist keine Quarantäne erforderlich. Im Fall der Übermittlung eines Testnachweises darf die zugrundeliegende Testung frühestens fünf Tage nach der Einreise erfolgt sein.
Für Kinder, die das sechste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, entfällt die Quarantänepflicht. Bei Personen zwischen sechs und zwölf Jahren, die keinen Genesenen- oder Impfnachweis übermittelt haben, endet die Quarantäne fünf Tage nach der Einreise automatisch oder mit Übermittlung des Testnachweises vor dem Ablauf von fünf Tagen.
Virusvariantengebiet: Nach Aufenthalt in Virusvariantengebieten dauert die Quarantäne grundsätzlich stets 14 Tage und kann grundsätzlich nicht abgekürzt werden.Eine vorzeitige Beendigung bei Virusvariantengebieten kommt allenfalls in Betracht, wenn das betroffene Virusvariantengebiet noch während der Quarantänezeit in Deutschland herabgestuft wird.
Gibt es Ausnahmen von der Quarantänepflicht bei beruflich bedingten Reisen?
In § 6 Abs. 1 und Abs. 2 CoronaEinreiseV ist ein umfangreicher Ausnahmekatalog geregelt. Dieser enthält beispielsweise Ausnahmen von der Absonderungspflicht für bestimmte Personengruppen oder bei bestimmten Reisezwecken.
Eine Ausnahme von der Absonderungspflicht gilt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 7 CoronaEinreiseV grundsätzlich für Grenzgänger und Grenzpendler.
Die Absonderungspflicht gilt gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 c) CoronaEinreiseV auch nicht für Personen, die über einen Testnachweis verfügen und sich für bis zu fünf Tage zwingend notwendig und unaufschiebbar beruflich veranlasst in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder nach Deutschland einreisen.
Nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 f) CoronaEinreiseV gibt es auch Ausnahmeregelungen für Personen, die zum Zwecke einer mindestens dreiwöchigen Arbeitsaufnahme nach Deutschland einreisen. Hierzu müssen am Ort ihrer Unterbringung und ihrer Tätigkeit in den ersten zehn Tagen nach ihrer Einreise gruppenbezogen betriebliche Hygienemaßnahmen und Vorkehrungen zur Kontaktvermeidung außerhalb der Arbeitsgruppe ergriffen werden, die einer Absonderung vergleichbar sind und das Verlassen der Unterbringung nur zur Ausübung ihrer Tätigkeit gestattet sein. Der Arbeitgeber hat die Arbeitsaufnahme vor Beginn bei der zuständigen Behörde anzuzeigen und die ergriffenen Maßnahmen zu dokumentieren.
6. Kann der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer freistellen, der sich kürzlich aufgrund einer Dienstreise in einem ausgewiesenen Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet aufgehalten hat? Hat der Arbeitnehmer im Falle einer Freistellung einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Vergütung?
a) Freistellung
Hat sich der Arbeitnehmer aufgrund einer vom Arbeitgeber angeordneten Dienstreise in einem Land aufgehalten, das als sog. Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet ausgewiesen worden ist, wird der Arbeitnehmer u.U. schon aufgrund der mit dem Auslandsaufenthalt verbundenen Quarantänepflicht nicht in der Lage sein, seine Arbeitsleistung vor Ort im Betrieb zu erbringen. Einer Freistellung durch den Arbeitgeber bedarf es dann schon nicht mehr, weil es dem Arbeitnehmer aufgrund der behördlichen Quarantäneanordnung unmöglich ist, seine Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen.
Die Erbringung der Arbeitsleistung ist jedoch nicht unmöglich, wenn der Arbeitnehmer in der Lage sein sollte, seine Arbeitsleistung mobil an dem Ort zu erbringen, an dem seine Absonderung stattfindet. Eine Freistellung wäre dann nicht zu rechtfertigen.
Außerdem kann es bei beruflichen Reisen auch Ausnahme von der Quarantänepflicht geben bzw. die Absonderungspflicht bei Erbringung der erforderlichen Nachweise für genese, geimpfte oder getestete Personen vorzeitig beendet werden. Hierzu muss der Genesenennachweis, der Impfnachweis oder den Testnachweis an die zuständige Behörde über das Einreisportal übermittelt werden.
b) Entgeltfortzahlung
Hat sich der Arbeitnehmer aufgrund einer Dienstreise in einem ausgewiesenen Risikogebiet aufgehalten und befindet er sich nunmehr in Quarantäne ohne dass er seine Arbeitsleistung mobil erbringen kann, bleibt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bestehen. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn die Ausweisung als Hochrisiko- oder Virusvariantengebiet schon feststand und der Arbeitnehmer die Dienstreise dennoch auf Weisung des Arbeitgebers durchgeführt hat.
Ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 56 Abs. 1 IfSG und ein damit einhergehender Erstattungsanspruch des Arbeitgebers nach § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG gegen die zuständige Behörde scheidet aus, weil der Arbeitnehmer aufgrund der Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers keinen Verdienstausfall erleidet. Das Vorliegen eines Verdienstausfalls ist jedoch Grundvoraussetzung für das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 IfSG.
7. Wie verhält es sich mit der Vergütungspflicht bei Urlaubsrückkehrer, die sich nach CoronaEinreiseV in 10/14-tägige Quarantäne begeben müssen? Welche Entgeltfortzahlungspflichten bestehen für den Arbeitgeber?
a) Vergütungspflicht entfällt:
Erfüllt der Arbeitnehmer keinen Ausnahmetatbestand (§ 6 der CoronaEinreiseV), gilt die Pflicht zur 10/14-tägigen Quarantäne, sofern auch keine vorzeitige Beendigung in Betracht kommt. In dieser Fallkonstellation ist der Arbeitnehmer aufgrund der bundeseinheitlichen Quarantänevorgaben rechtlich daran gehindert, seine Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen. Besteht keine Möglichkeit, die Arbeitsleistung mobil vom Ort der Absonderung (Regelfall: von zu Hause aus) zu erbringen, scheidet ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers aus. Die Gegenleistungspflicht des Arbeitgebers entfällt nach § 326 Abs. 1 BGB. Es gilt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Entgelt“.
b) Wiederherstellung des Vergütungsanspruchs, § 616 BGB:
Nach § 616 BGB verliert ein Arbeitnehmer den Anspruch auf seine Vergütung nicht dadurch, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wird.
Nach überwiegende Auffassung findet § 616 BGB zumindest bei bewussten Urlaubsreisen in ausgewiesene Risikogebiete weder in tarifgebundenen (Manteltarifvertrag M+E) noch in nicht tarifgebundenen Unternehmen Anwendung. Der Quarantänezeitraum von 10/14 Tagen ist keine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeitspanne. Im Übrigen liegt ein Verschulden vor, wenn der Arbeitnehmer in ein Hochrisikio-/Virusvariantengebiet einreist, obwohl dieses schon im maßgeblichen Zeitpunkt als ein solches ausgewiesen war.
8. Wird ein bereits angetretener Erholungsurlaub bei nachträglich angeordneter behördlicher Quarantäne dem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben?
Für den Fall der Erkrankung während des Urlaubs sieht § 9 BUrlG bei Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine „Gutschrift“ des Erholungsurlaubs vor. Für den Fall einer Quarantäneanordnung ist eine vergleichbare Vorschrift nicht vorhanden. Deshalb findet eine solche „Gutschrift“ nicht statt. Die Quarantäne ist nicht mit der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen, deshalb scheidet die direkte Anwendung aus. Auch dürfte eine analoge Anwendung mangels einer planwidrigen Regelungslücke ausscheiden. Diese Rechtsauffassung ist zwischenzeitlich durch die Landesarbeitsgerichte Köln, Düsseldorf und Schleswig-Holstein bestätigt worden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hingegen ging in seinem Urteil davon aus, dass § 9 BurlG analog anwendbar sei und deshalb der Urlaub gutgeschrieben werden müssen. Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt. Das Verfahren ist derzeit beim Bundesarbeitsgericht anhängig (9 AZR 76/22), sodass hier bald mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zu rechnen ist.
9. Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf "Rückgabe" des Urlaubs, wenn er aufgrund der Einschränkungen wegen Corona eine geplante Urlaubsreise nicht durchführen kann?
Nein, der Arbeitnehmer hat keinen solchen Anspruch. Ist der Urlaub einmal genehmigt, kann der Arbeitnehmer nicht mehr einseitig vom Urlaub zurücktreten. Er kann lediglich versuchen, mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung zu treffen, wonach der Urlaub zu einem anderen Zeitpunkt genommen werden kann.
Arbeitgeber sollten in dieser Situation darauf achten, dass auch einer etwaigen Genehmigung eines solchen Vorgehens im Einzelfall keine allgemeine Regel wird, auf deren Basis alle Arbeitnehmer in vergleichbaren Situationen nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen entsprechenden Anspruch geltend machen können. Je nach der betrieblichen Situation kann einem Arbeitnehmer erlaubt werden, den Urlaub zu einem anderen Zeitpunkt zu nehmen, damit ein anderer Arbeitnehmer, der ein akutes Betreuungsproblem hat, zum jetzigen Zeitpunkt Urlaub nehmen kann.
C. Entschädigungs- und Erstattungsanspruch nach § 56 Infektionsschutzgesetz
1. Wann kommen Entschädigungs- bzw. Erstattungsansprüche nach § 56 IfSG grundsätzlich in Betracht?
Nach § 56 Abs. 1 und § 56 Abs. 1a IfSG haben Arbeitnehmer, die von behördlich angeordneten Schutzmaßnahmen (Quarantäneanordnungen, Tätigkeitsverbote; Kita- oder Schulschließung) betroffen sind und durch diese einen Verdienstausfall erleiden, einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung gegen den Staat.
Entschädigungsansprüche kommen auch dann in Betracht, wenn eine Absonderung/Quarantäne auf einer allgemeinen (abstrakt-generellen) Anordnung, wie z.B. der hessischen Coronavirus-Schutzverordnung oder derCoronavirus-Einreiseverordnung beruht.
§ 56 IfSG greift indes nicht bei Verdienstausfällen infolge von generell angeordneten Schließungen von Geschäften, Betrieben, Freizeiteinrichtungen etc. Der Fall der behördlichen Betriebsschließung ist von § 56 IfSG nicht erfasst.
Die Höhe der Entschädigung ist grundsätzlich vom Verdienstausfall abhängig (Achtung: Höchstgrenze in den Fällen des § 56 Abs.1a IfSG).
Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG für die zuständige Behörde auszuzahlen. Für die Entschädigung nach § 56 Abs. 1 a IfSG hat der Arbeitgeber für die gesamte Dauer die Entschädigung auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet, der Arbeitgeber hat also einen Erstattungsanspruch gegen die Behörde.
2. Besteht eine Entgeltfortzahlungsverpflichtung, wenn der Arbeitnehmer in einem EU-Mitgliedsstaat/Drittstaat unter Quarantäne gestellt wird und nicht ausreisen kann?
Sind Arbeitnehmer während eines Auslandsaufenthaltes in einem anderen EU-Staat oder einem Drittstaat von Quarantänemaßnahmen betroffen, so sind diese nicht nach Maßgabe des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) zu beurteilen. Eine Anwendung der Regelungen über die Zahlung von Entschädigungsleistungen nach § 56 IfSG kommt danach nicht in Betracht.
Einer Entgeltfortzahlung wegen eines persönlichen Leistungshindernisses nach § 616 BGB wird bereits entgegenstehen, dass angeordnete Quarantänemaßnahmen durch ausländische Behörden ein objektives Leistungshindernis darstellen, was eine Pflicht zur Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber entfallen lässt.
3. Anspruchsvoraussetzungen § 56 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 56 Abs. 5 IfSG
Was sind die Voraussetzungen für einen Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG (i.V.m. § 56 Abs. 5 IfSG)?
a) Vorliegen einer behördlichen Anordnung
Grundvoraussetzung für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 IfSG ist stets das Vorliegen einer behördlichen Anordnung in Form eines Tätigkeitsverbots oder einer Quarantäneanordnung.
Hierbei ist wichtig, dass das Tätigkeitsverbot oder die Quarantäne von einer zuständigen deutschen Behörde angeordnet worden sein muss.
Erfasst sind auch Personen, die sich aufgrund einer Rechtsverordnung selbst absondern (z.B. gem. § 6 hessische Coronavirus-Schutzverordnung bei Vorliegen eines positiven Tests). Eine Entschädigung für Verdienstausfall kann auch dann gewährt werden, wenn sich eine Person vor der Anordnung einer Absonderung oder eines Tätigkeitsverbots vorsorglich selbst absondert beziehungsweise ihre berufliche Tätigkeit nicht ausübt, wenn zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende behördliche Anordnung hätte erlassen werden können.
b) Verdienstausfall
Der Arbeitnehmer muss gerade aufgrund der behördlich angeordneten Quarantäne (oder des Tätigkeitsverbots) einen Verdienstausfall erleiden. Es muss also ein Ursachenzusammenhang zwischen der behördlichen Anordnung und dem Verdienstausfall bestehen.
Das Regierungspräsidium Darmstadt vertrat in der Vergangenheit die Rechtsauffassung, dass kein Verdienstausfall vorliege, wenn der Arbeitgeber nach § 616 BGB verpflichtet ist, den Lohn fortzuzahlen. Dies hat nach damaliger Auffassung des Regierungspräsidiums Darmstadt den Regelfall gebildet. Nur wenn § 616 BGB im Arbeitsvertrag oder im Tarifvertrag ausgeschlossen war, wurde dieser nicht vorrangig geprüft.
Wichtig: Das Land Hessen hat seine Rechtsauffassung zu § 616 BGB nunmehr geändert und wendet diesen nicht mehr an. Das bedeutet, dass § 616 BGB - unabhängig von einer etwaigen Regelung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag – in Hessen nicht mehr geprüft wird und Arbeitgeber auch nicht mehr hierüber zur Entgeltfortzahlung herangezogen werden. Der Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruch kann mithin ab dem ersten Tag der Quarantäne bestehen.
Bitte beachten Sie, dass diese Rechtsauffassung ausschließlich für Hessen gilt. In anderen Bundesländern kann § 616 BGB durchaus noch zur Anwendung kommen.
Kein Verdienstausfall liegt vor, wenn die betriebliche und zumutbare Möglichkeit für Home-Office/ Mobiles Arbeiten bestand oder alternative zumutbare Möglichkeiten, um den Verdienstausfall auszugleichen (was unter letzterem zu verstehen ist, ist fragwürdig).
c) Bewusste vermeidbare Reise in Hochrisiko-/Virusvariantengebiet
Das Regierungspräsidium Darmstadt vertritt seither die Rechtsauffassung, dass bei mutwilligem bzw. bewusstem Herbeiführen der Quarantäne durch einen Auslandsaufenthalt ohne triftigen Grund, insbesondere Urlaub, kein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG bestehe, da diese Regelung eine Billigkeitsentschädigung darstelle.
Diese Rechtsauffassung wird nunmehr durch eine Gesetzesänderung in § 56 Abs.1 Satz 3 und 4 IfSG bestätigt. Hiernach soll kein Entschädigungsanspruch bestehen, wenn eine vermeidbare Reise in ein 48 Stunden vor Reiseantritt ausgewiesenes Risikogebiet unternommen wurde. Eine Reise ist vermeidbar, wenn zum Zeitpunkt der Abreise keine zwingenden und unaufschiebbaren Gründe für die Reise vorlagen.
d) Höhe des Anspruchs
Die Höhe des Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruchs bemisst sich gem. § 56 Abs. 2 IfSG grundsätzlich nach der Höhe des Verdienstausfalls. Für die ersten sechs Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Vom Beginn der siebenten Woche an wird die Entschädigung abweichend hiervon in Höhe von 67 Prozent des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls gewährt; für einen vollen Monat wird höchstens ein Betrag von 2 016 EUR gewährt
e) Hinweisblatt des Regierungspräsidiums Darmstadt
In Hessen ist das Regierungspräsidium Darmstadt zentral für die Ansprüche nach § 56 IfSG zuständig. Auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Darmstadt findet man ein Hinweisdokument zu den Voraussetzungen des Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 IfSG. Dieses wird fortlaufend aktualisiert und enthält umfassende und übersichtliche Erläuterungen zu den Anspruchsvoraussetzungen.
4. Anspruchsvoraussetzungen § 56 Abs.1a IfSG i.V.m. § 56 Abs. 5 IfSG
Was sind die Voraussetzungen für einen Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG (i.V.m. § 56 Abs. 5 IfSG)?
a) Schließung einer Betreuungseinrichtung
Nach § 56 Abs. 1a IfSG kann eine Entschädigung auch gewährt werden, wenn der Entschädigungsberechtigte durch die Betreuung eines Kindes/ eines Menschen mit Behinderung infolge einer behördlich angeordneten vorübergehenden Schließung einer Betreuungseinrichtung nicht arbeiten kann und einen Verdienstausfall erleidet.
Der Begriff der Einrichtungen zur Betreuung von Kindern ist im Gesetz offen formuliert und ist weit zu verstehen. Umfasst sind alle Arten von Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen (z.B. Horte, Kindertageseinrichtungen, Kindergärten oder Kinderläden) und Einrichtungen für behinderte Menschen unabhängig von der Trägerschaft. Einrichtungen zur Betreuung für Menschen mit Behinderung sind insbesondere Werkstätten oder Tagesförderstätten. Auch dazu gehören beispielsweise Kindertagesstätten und Tagesmütter.
Nicht nur die gesamte Schließung einer Betreuungseinrichtung, sondern auch ein Betretungsverbot für einzelne Kinder/ Gruppen/ Klassen kann einen Anspruch nach § 56 Abs.1a IfSG auslösen. Gleiches gilt, wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden, die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder eine behördliche Empfehlung vorliegt, vom Besuch einer Einrichtung zur Betreuung von Kindern, einer Schule oder einer Einrichtung für Menschen mit Behinderungen abzusehen.
b) Betreuungsbedürftiges Kind/ betreuungsbedürftige Person
Das zu betreuende Kind darf das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Sofern es um die Betreuung behinderter Menschen geht, spielt das Lebensalter hingegen keine Rolle.
c) Anspruchsberechtigte
Anspruchsberechtigt sind erwerbstätige Personen, die nach § 1631 BGB sorgeberechtigt sind oder die Pflegeeltern von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
d) keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit
Bevor dieser Anspruch geltend gemacht werden kann ist, zu prüfen, ob anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind. Hier ist auf die Notbetreuung in der Kita/Schule oder den anderen Elternteil zurückzugreifen. Auch können hierzu andere bereite Familienmitglieder/Verwandte zählen. Personen einer Risikogruppe (hier: Großeltern!) stellen keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit dar. Aber auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Urlaub aus dem Vorjahr oder eines Zeitguthabens (Überstunden) ist hier zu berücksichtigen. Langzeitkonten müssen hingegen nicht aufgebraucht werden.
Die Möglichkeit von zu Hause aus arbeiten zu können (Home-Office) schließt den Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG hingegen nicht länger aus. Mithin kommt der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG auch dann in Betracht, wenn Home-Office möglich gewesen wäre.
e) Verdienstausfall
Beim Entschädigungsberechtigten muss ein Verdienstausfall vorhanden sein. Dieser muss kausal auf der Schließung der Betreuungseinrichtung, dem Betretungsverbot oder auf der Aufhebung der Präsenzpflicht beruhen. Der Arbeitgeber darf mithin nicht über andere Rechtsvorschriften zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet sein. Die Regelung des § 616 BGB wird im Bundesland Hessen nicht mehr angewendet.
f) Höhe des Anspruchs
Nach § 56 Abs. 2 Satz 4 IfSG wird eine Entschädigung in Höhe von 67 v.H. des dem erwerbstätigen Sorgeberechtigten entstandenen Verdienstausfall gewährt. Pro vollem Monat höchstens jedoch ein Betrag in Höhe von 2.016 €. Die Bezugsdauer der Entschädigung beläuft sich auf zehn Wochen pro Elternteil (bei Alleinerziehenden 20 Wochen) pro Jahr. Bei reduzierter regelmäßiger Arbeitszeit vermindert sich der Anspruch entsprechend. Eine Verteilung auf einzelne Stunden (tageszeitliche Aufteilung) ist nicht möglich (z.B.: Betreuung durch ein Elternteil vormittags, durch das andere nachmittags – jeder Elternteil verbraucht einen Tag).
Der Arbeitgeber ist „Zahlstelle“ für diesen Anspruch. Die Vorleistungspflicht des Arbeitgebers wurde nunmehr geändert und umfasst die komplette Dauer des Entschädigungsanspruchs. Der Arbeitgeber ist insgesamt vorleistungspflichtig.
g) Befristung des Anspruchs
Der in § 56 Abs.1a IfSG vorgesehene Erstattungsanspruch ist zeitlich befristet bis zum Ablauf des 23.09.2022.
h) Hinweisblatt des Regierungspräsidium Darmstadt
In Hessen ist das Regierungspräsidium Darmstadt zentral für die Ansprüche nach § 56 IfSG zuständig. Auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Darmstadt findet man ein Hinweisdokument zu den Voraussetzungen des Entschädigungs- bzw. Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 und Abs. 1a IfSG. Dieses wird fortlaufend aktualisiert und enthält umfassende und übersichtliche Erläuterungen zu den Anspruchsvoraussetzungen.
5. Wie läuft die Erstattung ab, wenn der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer in Vorleistung getreten ist?
Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG bekommt der Arbeitgeber die an den Arbeitnehmer geleisteten Entschädigungszahlungen auf Antrag erstattet. Hierfür muss der Arbeitgeber den Antrag gemäß § 56 Abs. 11 IfSG innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach dem Ende der Quarantäne oder nach dem Ende der vorübergehenden Schließung oder der Untersagung des Betretens einer Betreuungseinrichtung stellen.
Alle notwendigen Informationen zum Ablauf der Antragstellung finden Sie auf der Internetseite www.ifsg-online.de. Dort kann die zuständige Behörde für die Erstattung ermittelt sowie der notwendige Antrag online eingereicht werden.
6. Hat eine fehlende Corona-Schutzimpfung bzw. eine fehlende Auffrischungsimpfung Auswirkungen auf den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG?
Es wurde ein besonderer Ausschlussgrund für den Entschädigungsanspruch nach § 56 Absatz 1 IfSG eingeführt: Gemäß § 56 Absatz 1 Satz 4 IfSG erhält keine Entschädigung, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, das Tätigkeitsverbot oder die Absonderung hätte vermeiden können. Die öffentliche Empfehlung muss durch die oberste Landesgesundheitsbehörde erfolgen, § 20 Absatz 3 IfSG. Der Ausschlussgrund beruht auf dem Gedanken der Mitverantwortung am schädigenden Ereignis (BT-Drucksache 19/15164, S. 58).
Spätestens seit Herbst 2021 wird dies auch in Bezug auf eine Schutzimpfung gegen COVID-19 flächendeckend zur Anwendung gebracht, wenn Personen als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet von einem wegen COVID-19 angeordneten Tätigkeitsverbot oder Absonderungsgebot betroffen werden, soweit sie keinen vollständigen Impfschutz vorweisen können, obwohl für sie eine öffentliche Empfehlung für eine Schutzimpfung nach § 20 Absatz 3 des Infektionsschutzgesetzes vorliegt.
Die Entschädigungsleistung gemäß § 56 IfSG wird weiterhin Personen gewährt, für die in einem Zeitraum von bis zu acht Wochen vor Absonderungsanordnung oder des Tätigkeitsverbotes keine öffentliche Empfehlung für eine Impfung gegen COVID-19 vorlag. Gleiches gilt, sofern eine medizinische Kontraindikation gegen eine COVID-19-Schutzimpfung vorliegt. Erfolgt die Absonderung wegen einer nachgewiesenen SARS-CoV-2-Infektion, kann ggf. nicht angenommen werden, dass eine Schutzimpfung die Infektion verhindert hätte.
Soweit Arbeitgeber die Entschädigung nach § 56 Absatz 5 IfSG auszahlen, sind sie berechtigt, von den Betroffenen Angaben darüber zu verlangen, ob sie vollständig geimpft oder genesen waren (Impf- oder Genesenennachweis), wenn durch eine Impfung das Tätigkeitsverbot oder die Absonderung hätte vermieden werden können. Soweit eine Schutzimpfung aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht möglich war, ist ein ärztliches Zeugnis vorzulegen, aus dem sich eine solche Aussage ergibt, eine konkrete Diagnose ist jedoch nicht anzugeben.
Die Gesundheitsministerkonferenz hat beschlossen, dass die Länder spätestens ab dem 15. April 2022 denjenigen Personen keine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG gewähren, die keine Auffrischungsimpfung zur Grundimmunisierung (sog. "Booster" - oder diesem gleichgestellte Konstellationen) vorweisen können, obwohl für sie eine öffentliche Empfehlung für eine Schutzimpfung nach § 20 Absatz 3 IfSG vorliegt (https://www.gmkonline.de/Beschluesse.html?uid=279&jahr=2022).
Nach unserer Auffassung ist zur Auslegung des Begriffs „gleichgestellte Konstellationen“ auch § 22a IfSG heranzuziehen. Die Vorschrift bestimmt, wer als vollständig geimpft gilt. Danach gilt eine Person bis 30. September 2022 auch bei zwei Einzelimpfungen als vollständig geimpft. Erst ab dem 1. Oktober 2022 müssen bei zwei Einzelimpfungen weitere Voraussetzungen hinzutreten, wie z. B. eine Genesung oder eine Auffrischungsimpfung.
7. Rechtsbehelfe des Arbeitgebers bei abgelehnter Erstattung
Welche Reaktionsmöglichkeit hat der Arbeitgeber, sollte die zuständige Behörde den Erstattungsantrag ablehnen oder nicht vollständig stattgeben?
a) Bescheid nach dem 18.11.2020 erlassen
Für Bescheide, welche ab dem 18.11.2020 erlassen wurden, steht der Klageweg zum jeweils zuständigen Verwaltungsgericht offen. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich gemäß § 52 Nr. 3 S. 2, 5 VwGO nach dem jeweiligen (Wohn-)sitz des potentiellen Klägers. Die Klagefrist beträgt hier gemäß § 74 Abs. 1, 2 VwGO einen Monat ab Zustellung des jeweiligen Bescheids.
Gemäß § 16a Abs. 2 S. 1 HessAGVwGO ist kein Widerspruchsverfahren vorgesehen, sodass vor Klageerhebung kein Widerspruch gegen das Regierungspräsidium Darmstadt zu richten ist. In anderen Bundesländern kann es hingegen durchaus sein, dass zuvor ein erfolgloses Widerspruchsverfahren durchgeführt werden muss. Dies ist vorab zu prüfen und wird sich im Übrigen aus der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheids ergeben.
Nach § 66 IfSG ist Anspruchsgegner das Land, in dem das Absonderungsgebot erlassen wurde bzw. in dem die Schule etc. geschlossen wurde. Dadurch entsteht u.U. ein Mehraufwand für Arbeitgeber. Sie müssen zukünftig ermitteln, in welchem Bundesland der Absonderungsbescheid ergeht.
b) Bescheid vor dem 18.11.2020 erlassen
Für Bescheide, welche vor dem 18.11.2020 erlassen worden sind, stand ursprünglich der Klageweg zum Landgericht Darmstadt offen, welches gemäß § 68 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 71 Abs. 3 GVG i.V.m. § 20 Hessisches AGGVG und streitwertunabhängig zuständig gewesen ist. Sofern ein solches Verfahren bereits vor dem 18.11.2020 dort anhängig gemacht worden sein sollte, bleiben auch dort anhängig. Vor dem Landgericht besteht gemäß § 78 ZPO sog. „Anwaltszwang“. Das heißt, dass Sie sich zwingend von einem zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. Es gelten weiterhin die allgemeinen, zivilrechtlichen Verjährungsregeln.
Für die übrigen „Altfälle“, die noch nicht beim ordentlichen Gericht anhängig sind, gilt die Übergangsvorschrift des § 77 Abs. 3 IfSG, sodass auch bezüglich der „Altfälle“ der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten besteht. Da diese Bescheide jedoch mit einer nicht gültigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen waren, gilt in diesen Fällen nicht die sonst zu beachtende Monatsfrist zur Klageerhebung. Es gilt gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Jahresfrist, beginnend frühestens ab dem 19.11.2020.
8. In welchem Verhältnis steht der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zur Entgeltfortzahlung im Fall der Arbeitsunfähigkeit nach § 3 EFZG?
Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG besteht nicht, wenn der Arbeitgeber zur Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet ist. Denn in diesem Fall würde der Arbeitnehmer dann keinen Verdienstausfall erleiden.
Mithin scheidet sowohl ein Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers als auch ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers aus, wenn ein Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, in dem ihm gegenüber eine Absonderung oder ein Tätigkeitsverbot angeordnet wird, arbeitsunfähig erkrankt und § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz greift. Dabei ist es gleichgültig, welche Art von Krankheit die Arbeitsunfähigkeit verursacht hat.
Erkrankt der Arbeitnehmer hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt während seiner Quarantäne, findet grundsätzlich die Regelung des § 56 Absatz 7 IfSG Anwendung. Danach besteht der Entschädigungsanspruch in Höhe des Betrages, der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit an den Berechtigten auszuzahlen war. Soweit aber Ansprüche gegen den Arbeitgeber beziehungsweise die Krankenversicherung nach § 56 Absatz 7 Satz 2 IfSG auf das Land übergehen würden, ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahlungen des Arbeitgebers beziehungsweise der Krankenkasse nicht als Entschädigung gezahlt werden, sondern aus eigener Verpflichtung gezahlt werden. Das BGM geht in seinen eigenen FAQ davon aus, dass der Arbeitgeber in dieser Konstellation dann nicht mehr in Vorleistung tritt, sondern bei Eintritt einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seiner eignen Verpflichtung aus § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz nachkommt. Nach Ansicht des BGM schreibe das Gesetz nämlich vor, dass Zahlungen während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit letztendlich von demjenigen (Arbeitgeber/Krankenversicherung) zu tragen sind, den diese Kosten ungeachtet der Quarantäne treffen würden. Es könne daher in diesem Fall bereits nicht zu einer Forderung nach § 56 Abs. 5 S. 3 IfSG kommen.
9. In welchem Verhältnis steht der Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG zur Gewährung von Kurzarbeitergeld?
Zunächst wird klarstellend darauf hingewiesen, dass wenn Beschäftigte unter eine behördlich angeordnete Quarantäne oder ein Verbot der beruflichen Tätigkeit fallen und deshalb ihre Arbeitsleistung nicht anbieten können, dies keinen Fall der Kurzarbeit begründet. Der Entschädigungsanspruch richtet sich dabei immer nach dem Verdienst, den der oder die Beschäftigte gehabt hätte, wenn keine Quarantäne angeordnet worden wäre oder anderweitige Betreuungsmöglichkeiten bestünden, d. h., sofern keine Kurzarbeit vereinbart wurde, in Höhe des Nettoverdienstes, bei Kurzarbeit in Höhe der Summe aus Restgehalt und Kug. Der Arbeitgeber zahlt in diesen Fällen bis zu 6 Wochen die Entschädigung in der jeweiligen Höhe anstelle der zuständigen Landesbehörde aus und hat dann gegen diese einen Erstattungsanspruch (§ 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG).
Wenn aber die Quarantäne erst angeordnet wurde, als sich die oder der konkrete Beschäftigte schon in Kurzarbeit befand, kann Kug von der BA bezogen werden. In dieser Konstellation geht der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 9 IfSG auf die BA über.
Das bedeutet für Sie als Arbeitgeber konkret: Der Arbeitgeber zahlt dem Beschäftigten Entschädigung in Höhe des Kug (oder Verdienst + Kug, wenn nicht „Kurzarbeit Null“) und beantragt bei der BA auch für diese Person Kug mit, gibt aber an, dass Quarantäne angeordnet wurde. Dies geschieht, indem im Kug-Antrag per Abrechnungsliste, in Spalte 2 im Feld Personalveränderung „Quarantäne am“ ausgewählt und das Datum des Beginns der Quarantäne erfasst wird. Sofern kein „Kug Null“ vorliegt, teilt sich der Anspruch dabei auf in den Teil, der in Höhe des Kug durch die BA ausgezahlt wird und in den Verdienstausfall, der durch die zuständige Landesbehörde ausbezahlt wird. Für die Abgrenzung, ob bei Anordnung einer Quarantäne ein Anspruch auf Kug besteht, sind die gleichen Maßstäbe anzusetzen, die auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit gelten. Die Quarantäne muss während des Bezugs von Kug beginnen. Da das Kug jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat, vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) beantragt und gewährt wird, ist die Voraussetzung, dass der Betrieb sich in Kurzarbeit befinden muss, immer dann erfüllt, wenn die Quarantäne im ersten Anspruchszeitraum (auch an dem Tag, an dem der Kalendermonat beginnt) oder nachfolgenden Anspruchszeiträumen beginnt.
Es kommt somit für die Bestimmung des Beginns der Kurzarbeit ausschließlich auf die betriebliche Bezugsdauer an, d. h. sobald der Betrieb in Kurzarbeit ist, kann für Tage, in denen ein sich in Quarantäne befindender Beschäftigter in Kurzarbeit gewesen wäre, der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG über die BA geltend gemacht werden.
Wenn Betreuungseinrichtungen für Kinder oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen schließen und keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden kann als durch die Beschäftigten selbst, erlangen die Beschäftigten ebenfalls einen Entschädigungsanspruch. Dieser besteht bei zuvor begonnener Kurzarbeit nicht für die Arbeitszeit, die ohnehin aufgrund der Kurzarbeit ausfällt, denn insoweit liegt kein Verdienstausfall vor. Dementsprechend wird für diese Zeit anders als im Falle des § 56 Abs. 1 IfSG weiter Kug durch die BA gezahlt und für den Verdienstausfall eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG durch die zuständige Landesbehörde. Es gehen keine Ansprüche auf die BA über. Deshalb ist in diesem Fall keine Angabe eines „Q“ in der Abrechnungsliste notwendig.
D. Anspruch auf zusätzliches Kinderkrankengeld
1. Allgemeines zum zusätzlichen Anspruch auf Kinderkrankengeld
Gesetzlich krankenversicherte Personen haben gemäß § 45 Abs. 2a SGB V für das Jahr 2022 einen zusätzlichen Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes, sog. Kinderkrankengeld. Mit zusätzlichen Kinderkrankentagen und Kinderkrankengeld soll Eltern und Alleinerziehenden geholfen werden, deren Kinder pandemiebedingt nicht oder nur eingeschränkt betreut werden oder zur Schule gehen können.
Die gesetzliche Regelung zum zusätzlich Anspruch auf Kinderkrankengeld ist zeitlich befristet, derzeit bis zum Ablauf des 23.09.2022.
2. Wer kann den Anspruch auf zusätzlicher Kinderkrankentage gelten machen?
Der Anspruch auf das verlängerte Kinderkrankengeld steht nur denjenigen Eltern zu, die gesetzlich krankenversichert und berufstätig sind, selbst einen Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kind/Kinder unter 12 Jahre alt sind. Bei Kindern, die eine Behinderung haben, spielt das Alter hingegen keine Rolle. Voraussetzung ist, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann.
Privatversicherte Eltern sollen keinen Anspruch auf das zusätzliche Kinderkrankengeld haben. Sie werden auf den Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG verwiesen.
3. Wie viele Kinderkrankentage stehen Familien im Jahr 2022 zu?
Gesetzlich krankenversicherte Eltern können im Jahr 2022 je gesetzlich krankenversichertem Kind für 30 Arbeitstage (Alleinerziehende für 60 Arbeitstage) Kinderkrankengeld beantragen. Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch je Elternteil für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für Alleinerziehende für nicht mehr als 130 Arbeitstage.
Zu beachten ist, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld gem. § 45 Abs. 2a Satz 3 SGB V wegen einer pandemiebedingten Betreuung des Kindes nur bis zum Ablauf des 23.09.2022 besteht.
4. Setzt der zusätzliche Anspruch voraus, dass das Kind tatsächlich krank ist?
Nein. Der gesamte Anspruch kann sowohl für die Betreuung eines kranken Kindes verwendet werden als auch für die Betreuung bei Schul- oder Kitaschließung, bei Aufhebung der Präsenzpflicht oder bei Zugangsbeschränkungen. Es ist also keine Aufteilung der Kinderkrankengeldtage vorgesehen (etwa 10 Tage für Betreuung eines kranken Kindes und weitere 10 Tage für Betreuung eines Kindes, dessen Betreuungseinrichtung geschlossen ist).
Hinweis: Wenn das Kind tatsächlich krank ist, muss der Betreuungsbedarf nach wie vor gegenüber der Krankenkasse mit einer Bescheinigung vom Arzt nachwiesen werden. Dafür wird die "Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes" ausgefüllt
5. Besteht der Anspruch auch, wenn Eltern neben der Kinderbetreuung im „Home-Office“ arbeiten könnten?
Der Anspruch soll auch in diesem Fall bestehen.
6. Wie und wo wird das Geld beantragt?
Eltern müssen das Kinderkrankengeld bei ihrer jeweiligen Krankenkasse beantragen und dort auf geeignet Arte und Weise nachweisen, dass die Einrichtung geschlossen ist bzw. die Präsenzpflicht aufgehoben worden ist. Die Krankenkassen stellen die entsprechenden Anträge meist online zur Verfügung. Außerdem sollten sich Eltern für die Antragstellung eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung ausstellen lassen. Eine entsprechende Mustererklärung kann auf der Homepage des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend heruntergeladen werden.
7. In welcher Höhe besteht der Anspruch?
Die Höhe des Kinderkrankengeldes beträgt in der Regel 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts.
8. In welchem Verhältnis steht der Anspruch auf Kinderkrankengeld zum Anspruch auf Entschädigung aus § 56 Abs.1a IfSG?
Die Geltendmachung des Anspruchs auf Kinderkrankengeld durch ein Elternteil sperrt den Anspruch aus § 56 Abs. 1a IfSG für beide Elternteile. Ein Nebeneinander beider Ansprüche besteht somit nicht.
Es besteht jedoch keine Pflicht für Arbeitnehmer zuerst das Kinderkankengeld oder den Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG geltend zu machen. Die Beschäftigten haben insoweit die freie Wahl.
9. Weitere Informationen
Weitere Informationen finden Sie im FAQ des BMFSFJ.
E. Impfung
1. Kann der Arbeitgeber eine Impfung seiner Mitarbeiter einfordern („verpflichtende Impfung“)?
Die Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus ist eine freiwillige Impfung. Der Gesetzgeber schreibt hier derzeit keine Impfpflicht vor (eine Ausnahme bildet die in §20a IfSG geregelte einrichtungsbezogene Impfpflicht). Mithin können auch Arbeitgeber Impfungen nicht zwingend vorschreiben.
2. Sind Beschäftigte, die sich freiwillig impfen lassen wollen, von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen?
Die Corona-Arbeitsschutzverordnung sieht in § 3 Abs. 1 vor, dass der Arbeitgeber es Beschäftigten zu ermöglichen hat, sich während der Arbeitszeit gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Ziel der Regelung ist, dass die geschuldete Arbeit zum Zwecke einer Impfung unterbrochen werden kann. Etwas Anderes ist der Verordnungsbegründung nicht zu entnehmen.
Stehen betriebliche Gründe der Freistellung entgegen, besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung. Soweit die Impfung auf Anordnung oder Wunsch des Arbeitgebers erfolgt, insbesondere, soweit sie als Zugangsvoraussetzung zum Betrieb angesehen wird, wird es sich um einen Teil der zu vergütenden Arbeitszeit handeln.
Im Einzelfall könnte geprüft werden, ob es den Beschäftigten möglich war, den Termin außerhalb oder an den Rand der Arbeitszeiten zu legen. Es empfiehlt sich hier eine einvernehmliche Lösung mit den Beschäftigten zu finden.
3. Behalten Beschäftigte ihren Vergütungsanspruch für den Zeitraum der Teilnahme an einer Schutzimpfung?
In § 3 der Corona-Arbeitsschutzverordnung ist nicht geregelt, ob es sich beim benötigten Zeitraum für die Impfung um eine bezahlte oder eine unbezahlte Freistellung handeln soll. Deshalb ist zunächst davon auszugehen, dass es sich hier um eine reine Freistellungsregel handeln dürfte. Ob eine Vergütungsregelung überhaupt im Verordnungswege erlassen werden kann, ist zweifelhaft. Aus Sicht des Arbeitgebers können betriebliche Belange dem Begehren des Arbeitnehmers auf Freistellung durchaus entgegengehalten werden. Weiter können nach unserer Ansicht die Arbeitnehmer auch auf Termine außerhalb der Arbeitszeit verwiesen werden (ähnlich dem Thema Arztbesuche). Wir raten an, hier pragmatische Lösungen mit den Beschäftigten anzustreben.
Ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung nach § 611 a Abs. 2 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag setzt voraus, dass der Beschäftigte die vereinbarte Arbeitsleistung erbringt. Soweit die Arbeitsleistung nicht erbracht wird, gilt – soweit keine Sonderregelung eingreift (siehe dazu gleich) - der in § 326 Abs. 1 BGB verankerte Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Daher verliert der Beschäftigte grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch, soweit und solange er infolge der Teilnahme an einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 der Arbeit fernbleibt.
a) keine Vergütungspflicht aufgrund tariflicher Regelung im MTV
Es stellt sich die Frage, ob vom Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ aufgrund einer tariflichen Regelung im Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (MTV) eine Ausnahme zu machen ist. In § 11 des MTV sind diejenigen Fälle abschließend geregelt, bei denen der Vergütungsanspruch trotz Nichterbringung der Arbeitsleistung fortbestehen soll. Der Fall der Corona Schutzimpfung ist nicht genannt.
Nach § 11 Ziff. 2 c) MTVC haben Beschäftigte lediglich einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit – nicht hingegen auf Fortzahlung des regelmäßigen Entgelts - bei Arztbesuchen aus Anlass einer während der Arbeitszeit auftretenden akuten, ernsthaften Erkrankung. Allerdings dürfte der Fall der Corona Schutzimpfung nicht hierunter zu fassen sein. Denn es handelt sich eindeutig nicht um eine akute am Arbeitsplatz aufgetretene Krankheit. Die Corona Schutzimpfung ist viel mehr eine Maßnahme zur Verhütung von Krankheiten.
Die Arbeitgeber sind nicht aufgrund tariflicher Sonderregelungen im MTV verpflichtet, die Vergütung für Zeiträume zu bezahlen, in denen Beschäftigte an einer Corona Schutzimpfung teilnehmen.
b) keine Vergütungspflicht aus § 616 BGB
Diejenigen Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des MTV fallen, können nicht über § 616 BGB zur Entgeltfortzahlung verpflichtet werden. Die Fälle des § 616 BGB wurden im MTV abschließend geregelt, im Übrigen wird die Anwendbarkeit des § 616 BGB durch MTV abbedungen, d.h. er findet keine Anwendung.
Auch im nicht tarifgebunden Unternehmen ist man unseres Erachtens nicht dazu verpflichtet eine Entgeltfortzahlung über § 616 BGB zu leisten. Nach § 616 BGB wird der Beschäftigte des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.
Der Verhinderungsgrund muss also gerade in der Person des betroffenen Arbeitnehmers bestehen, also seiner persönlichen Sphäre entspringen. Hiervon abzugrenzen sind sog. objektive Leistungshindernisse, welche eine Vielzahl von Personen betreffen können und daher gerade nicht unter den Anwendungsbereich des § 616 BGB fallen. Die Schutzimpfung gegen das Coronavirus ist auf ein allgemein bestehendes Infektionsrisiko zurückzuführen, welches nicht allein in den persönlichen Lebensumständen des einzelnen Beschäftigten begründet ist. Es erfasst vielmehr alle Beschäftigten bzw. alle Menschen gleichermaßen. Dies spricht dafür, dass sich bei einer Arbeitsverhinderung infolge der Wahrnehmung eines Impftermins ein objektives und kein subjektives Leistungshindernis verwirklicht und damit auch kein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB besteht.
c) Impfung auf Anordnung/Wunsch des Arbeitgebers
Anders dürfte die Situation zu beurteilen sein, wenn die Impfung auf Anordnung oder auf Wunsch des Arbeitgebers erfolgt oder wenn diese sogar als Zugangsvoraussetzung zum Betrieb angesehen wird. In diesen Konstellationen dürfte es sich um einen Teil der zu vergütenden Arbeitszeit handeln.
d) Fazit
Unseres Erachtens besteht grundsätzlich (Ausnahme unter c) keine rechtliche Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung während der Dauer der Corona Schutzimpfung.
Es kann jedoch im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und auch im Eigeninteresse des Arbeitgebers sein, dass sich möglichst alle Beschäftigten impfen lassen. Hier können Arbeitgeber durch bezahlte Freistellungen Anreize setzen. Andererseits könnten Arbeitgeber ihre Beschäftigten auch dazu anhalten, die Impftermine – wenn möglich – außerhalb der Arbeitszeit oder auf „Randlagen“ der Arbeitszeit zu verlegen, damit möglichst wenig Zeitverlust entsteht.
4. Kann der Arbeitgeber den Zugang zu betrieblichen Einrichtungen für nicht geimpfte Beschäftigte beschränken?
Arbeitgeber können geimpfte und ungeimpfte Beschäftigte möglicherweise unterschiedlich behandeln. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass wissenschaftlich gesichert feststeht, dass von geimpften Personen keinerlei Ansteckungsrisiko mehr ausgeht.
Derzeit schützt eine vollständige Impfung oder Genesung jedoch nicht in ausreichendem Maße vor einer Ansteckung und Weitergabe der momentan vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2.
Aus dem Arbeitsverhältnis ist der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dazu gehören auch die Möglichkeit, vorhandenen Sanitäranlagen und Pausenräume zu nutzen, nicht jedoch der Zugang zu einer Kantine oder sonstigen besonderen Pauseneinrichtungen (wie. z. B. zur Tischtennisplatte etc.). Die Pflicht, hierzu Zugang zu gewähren, ergibt sich auch nicht aus einer Nebenpflicht des Beschäftigungsverhältnisses. Bezüglich solcher Einrichtungen kann der Arbeitgeber aufgrund seines „Hausrechts“ frei entscheiden, wem er Zugang gewährt. In diesen Fällen überwiegt das Interesse des Arbeitgebers seine Beschäftigten vor Infektionen zu schützen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Abstands- und Maskenregelungen in den jeweiligen Gemeinschaftseinrichtungen nur erschwert eingehalten werden können.
5. Können Betriebsärzte zur Impfung der Mitarbeitenden eingesetzt werden?
Die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeber hat einen umfangreichen Leitfaden zum Impfen durch Betriebsärzte erstellt. Diesen können Sie in unserem Mitgliederbereich abrufen.
6. Haftet der Arbeitgeber für Impfschäden als Folge einer betrieblich organisierten Impfung?
Im Zusammenhang mit der Grippeschutzimpfung hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2017 in einem Urteil bereits mit Haftungsfragen des Arbeitgebers bei Erleiden von Impfschäden auseinandergesetzt (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 8 AZR 853/16). Das BAG entschied, dass der Arbeitgeber gegenüber Beschäftigten, die im Betrieb an einer Grippeschutzimpfung teilgenommen haben, nicht für einen Impfschaden haftet, da er selbst keine Aufklärungspflichten gegenüber den Beschäftigten hat. Zwischen den Beschäftigten und dem Arbeitgeber kommt kein Behandlungsvertrag zustande, aus dem der Arbeitgeber zur Aufklärung verpflichtet wäre. Auch aufgrund des zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten bestehenden Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Beschäftigten über mögliche Risiken der Impfung aufzuklären und muss sich deshalb auch einen etwaigen Verstoß des die Impfung durchführenden Arztes gegen seine Aufklärungspflicht nicht zurechnen lassen. Der Arbeitgeber ist lediglich zur ordnungsgemäßen Auswahl der die Impfung durchführenden Person verpflichtet. Weitergehende Verpflichtungen bestünden nicht. Insbesondere ist er auch nicht zur Überwachung des Betriebsarztes bei der Ausführung der Grippeschutzimpfung verpflichtet.
Nach Ansicht der BDA dürfte für den Fall von Corona-Schutzimpfungen nichts Anderes gelten. Auch hier handelt es sich um freiwillige Impfungen im Rahmen der präventiven allgemeinen Gesundheitsvorsorge. Die Anwendung der oben genannten BAG-Rechtsprechung auch auf im Betrieb durchgeführte Corona-Schutzimpfungen würde aus unserer Sicht dadurch unterstützt, dass die Einladungen ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Impfungen hinweist und durch den Betriebsarzt erfolgt und der Arbeitgeber die ordnungsgemäße Auswahl der die Impfung durchführenden Person dokumentiert.
Wichtiger Praxishinweis: Arbeitgeber sollten deshalb nicht selbst zu freiwilligen Corona-Schutzimpfungen einladen, sondern dies vollumfänglich dem Kompetenzbereich des Betriebsarztes bzw. des betriebsärztlichen Dienstes überlassen.
7. Besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem „Impfstatus/Genesungsstatus“ der Beschäftigten?
Ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus besteht in jedem Fall Verbindung mit der Regelung des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG. Hiernach kann ein Entschädigungsanspruch bei angeordneter Absonderung nämlich ausgeschlossen sein, wenn man durch Inanspruchnahme einer Impfung die Quarantäne hätte vermeiden können. Da der Arbeitgeber für die Entschädigungsleistung gesetzlich zur Vorleistung verpflichtet ist, muss er wissen, ob der betroffene Beschäftigte überhaupt einen Anspruch auf Entschädigung hat. In diesem Zusammenhang hat das BMG ein Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus bestätigt.
Eine ausdrücklich geregelte Erlaubnis zur Erhebung des Impfstatus ist zudem in § 36 Abs. 3 IfSG für bestimmte Bereiche des Gesundheitswesens vorgesehen.
In allen anderen Fällen ist weiter umstritten, ob ein solches Frage- bzw. Auskunftsrecht besteht.
Die wohl vorherrschende Auffassung geht inzwischen davon aus, dass ein solcher Auskunftsanspruch bzw. ein solches Fragerecht des Arbeitgebers nicht besteht.
Das BMAS führt in seinen FAQs zum betrieblichen Gesundheitsschutz aus, dass keine allgemeine Verarbeitungsgrundlage, die es Arbeitgebern sämtlicher Bereiche ermöglicht, den Impf- bzw. Genesungsstatus der Beschäftigten zu erheben, existiert. Denn die in § 28b IfSG enthaltene Grundlage (3G am Arbeitsplatz) ist zum 20.03.2022 entfallen. Gleiches gilt für § 3 Corona-ArbSchV (alte Fassung), wonach es Arbeitgebern erlaubt war, den bekannten Impf-/Genesungsstatus bei der Erstellung betrieblicher Hygienekonzepte zu berücksichtigen. Auch dieser wurde gestrichen.
Man könne als Arbeitgeber nicht mehr argumentieren, dass der Impf- bzw. Genesungsstatus eine entscheidende Rolle bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung bzw. des betrieblichen Hygienekonzepts spiele. Dies folge daraus, dass eine vollständige Impfung oder Genesung nicht in ausreichendem Maße vor einer Ansteckung und Weitergabe der derzeit vorherrschenden Omikron-Variante des Coronavirus SARS-CoV-2 schütze.
Man könnte aber auch die Auffassung vertreten, dass sich ein Auskunftsanspruch bzw. ein Fragerecht in besonderen Fällen aus einer Interessenabwägung ergeben könnte. Der Arbeitgeber ist verantwortlich für den Arbeits- und Infektionsschutz im Betrieb. Er muss stets überprüfen, welche Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Hierbei spielt ggf. auch der Impf-/Genesungsstatus eine Rolle. Von einem Überwiegen der Arbeitgeberinteressen könnte man daher zum Beispiel ausgehen, wenn aufgrund der Art der Tätigkeit ein erhöhtes Schutzbedürfnis der Beschäftigten oder Dritter besteht, z.B. bei Tätigkeiten mit vulnerablen Personen.
Obwohl die Datenschutzbehörden der Länder und auch sonstige Vertreter des Datenschutzes den Auskunftsanspruch bzw. das Fragerecht aus datenschutzrechtlichen Gründen stets und ausnahmslos ablehnen, kann es aus unserer Sicht einzelfallbezogene Sondersituationen geben, in denen das Interesse des Arbeitgebers an der Kenntnis der Information doch überwiegt. Die müsste im Hinblick auf drohende Datenschutzverstöße jedoch stets sorgfältig im Einzelfall überprüft werden.
8. Was ist hinsichtlich der einrichtungsbezogene Impfpflicht zu beachten?
Für weitergehende Informationen verweisen wir auf die Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit.
F. Corona-Tests im Betrieb
1. Allgemeines
Auch nach der geänderten Corona-ArbSchV, die am 20.03.2022 in Kraft trat und bis zum 25.05.2022 Gültigkeit hat, können Arbeitgeber weiterhin ihren Beschäftigten einen Corona Tests pro Woche anbieten, wenn dies eine aus der durchzuführenden Gefährdungsbeurteilung abzuleitende Schutzmaßnahme darstellt – es besteht somit kein normativer Zwang des Angebots!
In diesem Zusammenhang sind aber auch die Vorgaben der hessischen Coronavirus-Schutzverordnung (CoSchuV) zu beachten. Danach sind Arbeitgeber in Einrichtungen nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 11 IfSG (Krankenhäuser und ambulanter Pflegedienst etc.) verpflichtet, die dort beschäftigten Personen nur nach Vorlage eines Testnachweises nach § 22a Abs. 3 IfSG tätig werden zu lassen.
Aufgrund von Vorgaben des § 28a Abs. 8 IfSG können in bestimmten näher bezeichneten Gebietskörperschaften (sog. „Hotspots“) besondere Anforderungen an den Zugang gestellt werden, insoweit könnten Testnachweise (wieder) aktuell werden. Derzeit sind in Hessen keine „Hotspot“-Regionen in Planung.
2. Welche Anforderungen müssen Unternehmen bei dem Angebot von Tests erfüllen?
Welcher Test mit direkt anzeigendem Erregernachweis im Betrieb eingesetzt wird, wird durch die Verordnung nicht vorgegeben. Es können deshalb weiterhin Selbsttests oder PoC-Antigen-Schnelltests eingesetzt werden. Der Arbeitgeber kann auch einen Dritten mit der Durchführung der Tests beauftragen.
3. Wer hat die Tests gemäß der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung durchzuführen bzw. zu beaufsichtigen? Welche Anforderungen werden an die Probenehmenden gestellt?
Selbsttests werden allein und selbstständig durch die Beschäftigten ausgeführt. Eine Beaufsichtigung ist nicht erforderlich.
PoC-Antigen-Tests müssen durch nachweislich fachkundige (z. B. durch eine Ausbildung im medizinischen Bereich) Personen durchgeführt werden. Abweichend davon kann die Tätigkeit auf Personen ohne nachgewiesene Fachkunde übertragen werden, wenn die Tätigkeiten unter Aufsicht einer fachkundigen Person erfolgt. Eine Ersthelferausbildung genügt hierfür nicht! Die probenehmende Person ist vor Aufnahme der Tätigkeit auf Grundlage der durch die tätigkeits-bezogene Gefährdungsbeurteilung erstellten Betriebsanweisung zu unterweisen (ABAS-Be-schluss 6/20, aktualisiert am 8. Februar 2021).
Der Arbeitgeber kann auch Dritte (z.B. kommerzielle Anbieter solcher Tests oder Hilfsorganisationen) mit der Durchführung dieser Tests beauftragen.
4. Welche Arbeitsschutzmaßnahmen sind bei der Durchführung von Tests zu beachten?
Selbsttests
Selbsttests werden von Beschäftigten unter Berücksichtigung der Herstellerangaben selbst durchgeführt. Grundsätzlich gibt es keine Vorgaben zu Arbeitsschutzmaßnahmen.
PoC-Antigen-Tests
PoC-Antigen-Tests müssen durch medizinisches oder geeignetes geschultes Personal durchgeführt werden. Es handelt sich bei der Probenahme und Durchführung der Tests um vergleichbare Tätigkeiten wie in der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ zum Gesundheitsdienst beschrieben.
Bei der Probenahme und bei diagnostischen Tätigkeiten sind entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen erforderlich, beispielsweise, weil die nötigen Abstände zwischen Probenehmenden und Beschäftigten nicht eingehalten werden. Es sind für Probenehmende mindestens FFP2-Masken zusammen mit einem Gesichtsschild/Visier oder zusammen mit einer dichtsitzenden Schutzbrille erforderlich, um das Risiko durch Übertragungen über Tröpfchen und Aerosole möglichst gering zu halten.
Weitere Empfehlungen enthält der aktualisierte ABAS-Beschluss 6/20 vom 8. Februar 2021.
5. Soweit „geschultes Personal“ für die Tests erforderlich ist: Welche Anforderungen muss das Personal erfüllen und wie kann es geschult werden?
Selbsttest
Bei Selbsttests gibt es keine besonderen formalen Anforderungen an den Endanwender.
PoC-Antigen-Schnelltest
PoC-Antigen-Tests dürfen von eingewiesenem Personal durchgeführt werden. Eine vorhergehende Einweisung/Schulung in die korrekte Durchführung der Abstrichentnahme und Anwendung der Tests ist erforderlich.
Nach Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) dürfen Personen mit der Anwendung von Medizinprodukten beauftragt werden, die die dafür erforderliche Ausbildung oder Kenntnis und Erfahrung haben und in das anzuwendende Medizinprodukt eingewiesen sind. Es liegt in der Verantwortung der Einrichtung bzw. des Medizinproduktebetreibers, zu entscheiden, ob das zur Verfügung stehende Personal im Sinne der o. g. Anforderungen in der Lage ist, die Durchführung der Tests vorzunehmen und entsprechend auszuwählen. In diesem Zusammenhang ist auch die Gebrauchsinformation des Herstellers zu beachten.
Qualifikationsvoraussetzungen bei PoC-Antigen-Schnelltests
Zu den Qualifikationsvoraussetzungen des mit der Test-Durchführung beauftragten Personals gibt es bisher keine eindeutigen und verbindlichen Vorgaben. Bisher wurde der Personenkreis lediglich durch den Begriff medizinisches Fachpersonal eingegrenzt, dem auch Pflegefachpersonal zuzurechnen ist. Unter diesem Personenkreis sind auch Angehörige anderer Gesundheitsfachberufe (vgl. § 5a Abs. 1 Satz 1 IfSG) sowie Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger, Personen mit Ausbildungen in der Pflegeassistenz, Altenpflegehilfe und Gesundheits- und Krankenpflegehilfe und ggf. auch Pflegehilfskräfte sowie andere Hilfskräfte ohne einschlägigen Berufsausbildungshintergrund einzuordnen, wenn entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen vorliegen bzw. durch Einweisung vermittelt und angeeignet werden und angemessene Zuverlässigkeit gegeben ist.
Eine entsprechende Einweisung sollte Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln
- zur Einschätzung der anatomischen Situation im Nasen-Rachenraum,
- zum adäquaten Umgang mit Komplikationen während der Abstrichentnahme (z. B. Nasenbluten, Abwehrreaktion),
- zur sachgerechten Anwendung des Medizinprodukts (incl. Abstrichentnahmetechnik, Einschätzung der Abstrichqualität, Probenverarbeitung, Ablesen und Einschätzung des Ergebnisses nach Herstellerangaben),
- zur sachgerechten Durchführung der erforderlichen Personal- und Umgebungs-Hygie-ne- und Schutzmaßnahmen vor, während und nach der Durchführung eines Tests (Anwendung von Schutzausrüstung, Desinfektionsmaßnahmen, Abfallentsorgung etc.) und
- zur Dokumentation und Informationsweitergabe.
Möglichkeiten der Einweisung
Wenn es möglich ist, sollte eine Einweisung durch eine Ärztin bzw. einen Arzt oder eine Person mit entsprechenden Erfahrungen in der Abstrichentnahme bzw. Anwendung von PoC-Antigen-Schnelltests erfolgen oder durch entsprechendes Personal der Gesundheitsämter, möglichst mit praktischer Schulung.
Dies kann grundsätzlich ebenso in digitaler Form erfolgen, z. B. in Form einer Video-Konferenz oder eines Video-Tutorials in Verbindung mit der Begleitung bzw. Beratung durch eine Ärztin bzw. einen Arzt oder einer Person mit entsprechenden Erfahrungen in der Abstrichentnahme bzw. Anwendung von PoC-Antigen-Schnelltests.
PCR-Test
PCR-Tests erfolgen nur durch medizinisches Personal und Labore.
6. Kann der Arbeitgeber verpflichtende Testungen anordnen?
Die Anordnung einer Testpflicht vor Arbeitsaufnahme muss die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahren. Um diese Grenzen zu bestimmen, müssen die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegeneinander abgewogen werden. Auf Seiten des Arbeitgebers steht das Interesse an betrieblichem Gesundheitsschutz und an einem störungsfreien Arbeitsablauf, auf Seiten des Arbeitnehmers kann das Recht auf körperliche Unversehrtheit und sein Persönlichkeitsrecht berührt sein. Das Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung von Tests wird zumindest dann überwiegen, wenn z. B. im Betrieb eine besondere Gefährdungssituation vorliegt, wenn vermehrt Infektionsfälle aufgetreten sind oder Arbeitnehmer Symptome aufweisen. In diesem Fall kann – jedenfalls solange die Gefährdungssituation fortbesteht – eine Anordnung zulässig sein. Auch bei Tätigkeiten mit besonders vulnerablen Personen, wie z. B. in Pflegeheimen oder wenn die Beschäftigten einem erhöhten Expositionsrisiko ausgesetzt sind, z. B. aufgrund einer Vielzahl von Kontakten oder weil Abstandsregelungen nicht immer eingehalten werden können, kann eine Anordnung in Betracht kommen.
7. Ist der Betriebsrat bei einer Anordnung von Tests zu beteiligen?
Eine zulässige Anordnung von Testungen, die sich nicht auf medizinisch indizierte Einzelfälle beschränkt, soll der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen können. Betroffen sein können in diesen Fällen insbesondere die Nummern 7 und 1 des § 87 Abs. 1 BetrVG bei Fragen des betrieblichen Gesundheitsschutzes sowie bei Fragen der Ordnung des Betriebes mitzubestimmen. Schließen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zu Testungen ab, kann es sich anbieten, in dieser Vereinbarung auch die konkrete Durchführung und den Umgang mit positiven Testergebnissen sowie den Datenschutz zu regeln.
8. Darf der Arbeitgeber den Zugang zum Betrieb ohne Test verwehren?
Hat der Arbeitgeber rechtmäßig verpflichtende Tests angeordnet, kann er Arbeitnehmern, die den Test verweigern, den Zugang zum Betrieb verwehren. Ohne ein negatives Testergebnis bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an. Der Arbeitgeber muss das nicht ordnungsgemäße Angebot nicht annehmen und er gerät durch Ablehnung dieses Angebots auch nicht an Annahmeverzug. Die Vergütungspflicht entfällt.
9. Handelt es sich bei der für einen Test aufgewendeten Zeit um Arbeitszeit?
Es handelt sich im Fall von Testangeboten um freiwillige Tests. Nach der sogenannten Beanspruchungstheorie handelt es sich nicht um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Soweit die Testung auf Wunsch oder auf Bitte des Arbeitgebers erfolgt – insbesondere soweit sie als Zugangsvoraussetzung zum Betrieb angesehen wird, wird es sich um einen Teil der zu vergütenden Arbeitszeit handeln. Ist die Testung demgegenüber als reines Angebot zu verstehen, erfolgt sie außerhalb der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Erfolgt die Testung aufgrund einer Betriebsvereinbarung, sollte diese Frage mit geklärt werden.
10. Muss ein positives Testergebnis gemeldet werden? Wer muss an wen melden?
Bei den Meldepflichten gegenüber dem Gesundheitsamt ist zu unterscheiden, ob es sich um einen Schnelltest oder um einen sog. Selbsttest handelt. Bei den Schnelltests existieren gesetzliche Regelungen zur Meldung positiver Testergebnisse an das Gesundheitsamt. Für die Selbsttests ist diese Meldung nicht gesetzlich vorgeschrieben.
Führt ein (Betriebs-/Werks-) Arzt einen Corona-Schnelltest durch, ist er nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m § 9 IfSG verpflichtet, das positive Testergebnis an das jeweils zuständige Gesundheitsamt zu melden. Die Erstreckung dieser Meldepflicht wurde auf nichtärztliches Personal erweitert, wenn patientennahe Schnelltests durch Personen erfolgen, die dazu befugt sind.
Eine Meldepflicht des positiven Corona-Testergebnisses besteht für die testende Person auch gegenüber dem Arbeitgeber. Nach unserer Auffassung ergibt sich diese Meldepflicht aus einer analogen Anwendung des § 8 IfSG. Schutzzweck der Meldung nach § 8 IfSG ist die Nachverfolgung der Ansteckung und die Verhinderung weiterer Ansteckungen. Der Arbeitgeber muss in der Lage sein, seine Belegschaft und die betrieblichen Interessen durch geeignete Maßnahmen zu schützen.
Bei einem Selbsttest besteht keine Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt.
Sowohl bei der Durchführung des Schnelltests als auch des Selbsttests besteht die Pflicht des Arbeitnehmers, ein positives Ergebnis an den Arbeitgeber zu melden. Diese Pflicht ergibt sich aus der nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflicht. Dazu gehört auch die Vermeidung von Gesundheitsgefahren der Kollegen.
Über die Meldepflichten sollten Beschäftigte im Zusammenhang mit der Teststrategie informiert werden.
11. Besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers?
Es handelt sich bei Covid-19 um eine meldepflichtige Krankheit nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 7 Abs. 1 Nr. 44a). Der Arbeitgeber ist berechtigt, seine Arbeitnehmer vor Arbeitsaufnahme im Betrieb zu fragen, ob sie das Testangebot wahrgenommen haben. Hat ein Arbeitnehmer teilgenommen, darf der Arbeitgeber weiter fragen, ob das Testergebnis positiv ausgefallen ist. Dieses Recht ergibt sich aus der nebenvertraglichen Rücksichtnahmepflicht Dazu gehört auch die Vermeidung von Gesundheitsgefahren. Arbeitgeber müssen in die Lage versetzt werden, ihren gegenüber allen Beschäftigten bestehenden Schutzpflichten nachzukommen. Somit stellt der Arbeitsvertrag eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten dar. Die Mitarbeiter müssten zuvor über die Weitergabe ihrer Daten und somit der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten informiert werden.
12. Wie ist der Umgang mit positiv getesteten Beschäftigten?
Positiv getestete Beschäftigte müssen sich sofort in Selbstisolation begeben und das Schnelltestergebnis mit einem PCR-Test bestätigen. Dies ergibt sich für Hessen aus § 4 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 CoronaSchutzVO . Gleiches ergibt sich aber aufgrund ihrer arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dem Arbeitgeber gegenüber auch für die Mitarbeiter, die ein positives Selbsttestergebnis erhalten. Arbeitgeber können die positiv getesteten Arbeitnehmer daher von der Präsenzpflicht auch einseitig entbinden und – wenn möglich – bis zu einem negativen PCR-Testergebnis Homeoffice anordnen. Ist die Erbringung der Arbeitsleistung von zu Hause aus nicht möglich, besteht ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG.
13. 3G-Pflicht am Arbeitsplatz?
Mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zum 20.03.2022 ist die Rechtsgrundlage für die 3G.Pflicht am Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen. Die § 28b Abs. 1 und 2 IfSG (jetzt a.F.) wurden gestrichen.
Soweit das Landesrecht keine Nachweispflicht statuiert (gem. § 28a Abs. 8 IfSG – „Hotspot“-Regelung), kann der Arbeitgeber in Einzelfällen berechtigt sein, eine betriebliche 3G-Regelung anzuordnen. Die Anordnung muss die Grenzen der Verhältnismäßigkeit wahren. Um diese Grenzen zu bestimmen, müssen die Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gegeneinander abgewogen werden. Das Interesse des Arbeitgebers bei fehlendem Immunitätsstatus seiner Mitarbeiter Testnachweise anzuordnen wird regelmäßig überwiegen, wenn z. B. im Betrieb eine besondere Gefährdungssituation vorliegt, wenn vermehrt Infektionsfälle aufgetreten sind oder Arbeitnehmer Symptome aufweisen. Auch wenn die Beschäftigten einem erhöhten Expositionsrisiko ausgesetzt sind, z. B. aufgrund einer Vielzahl von Kontakten oder weil Abstandsregelungen nicht immer eingehalten werden können, kann eine entsprechende Anordnung in Betracht kommen. Ggf. sind die Mitbestimmungstatbestände nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 7 BetrVG zu beachten.
14. Wie sollten Arbeitgeber mit den bisher erhobenen »3G-Daten« umgehen?
Mit Ablauf des 19.03.2022 ist diese gesetzliche Regelung in § 28b Abs. 3 S. 3 IfSG und damit die fundamentale Erlaubnisnorm zur Verarbeitung der 3G-Daten entfallen.
Hieraus folgt unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten die Frage, wie mit den bisweilen vom Arbeitgeber erhobenen 3G-Daten umzugehen ist; insbesondere, ob mit dem Wegfall des § 28b Abs. 3 S. 3 IfSG eine sofortige Verpflichtung zur Löschung dieser Daten zum 20.03.2022 bestand.
Die Landesdatenschutzbehörden vertreten hierzu derzeit noch unterschiedliche Auffassungen. Teilweise gehen diese von einer sofortigen Löschpflicht der Daten aus, teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die erhobenen Daten zumindest für die Dauer von sechs Monaten zum Monatsende seit ihrer Erhebung (gem. § 28b Abs. 3 S. 9 IfSG a.F.) bzw. im Einzelfall sogar bis zu sechs Monaten zum Monatsende nach dem 19.03.2022 gespeichert bleiben dürfen.
Es kann für den Arbeitgeber das praktische Bedürfnis bestehen, die auf der Grundlage des § 28b IfSG a.F. erhobenen 3G-Daten nicht unmittelbar und ersatzlos zu löschen. Aufgrund des weiterhin dynamischen Infektionsgeschehens, der fortbestehenden Obliegenheit des Arbeitgebers zur Gewährleistung von betrieblichem Infektionsschutz im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung und der noch nicht absehbaren Einführung sog. „Hotspot-Regelungen“ auf Länderebene könnte die Nutzung der gespeicherten Daten weiterhin zur Gewährleistung des betrieblichen Infektionsschutzes nötig erscheinen.
Es ist hierbei allerdings explizit darauf hinzuweisen, dass eine Erlaubnisnorm für die Speicherung seit dem Ablauf des 19.03.2022 nicht mehr existiert und damit erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Zulässigkeit einer weiteren Speicherung dieser Daten besteht.
Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage scheint zum jetzigen Zeitpunkt zumindest eine kurzfristige Begrenzung der Speicherdauer der 3G-Daten noch vertretbar. Keinesfalls dürfen die 3G-Daten im sprichwörtlichen „Datengrab“ landen und vorbehaltlos gespeichert bleiben. Sollten die 3G-Daten etwa für eine Gefährdungsbeurteilung nach Maßgabe der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung benötigt werden, könnte eine datenschutzkonforme Nutzungsmöglichkeit beispielsweise in ihrer konsequenten Anonymisierung zu sehen sein.
G. Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers und Entgeltfortzahlung
1. Darf der Arbeitnehmer von der Arbeit fernbleiben, weil er Angst vor einer Ansteckung an dem Corona-Virus hat? Hat der Arbeitnehmer trotz der Leistungsverweigerung einen Vergütungsanspruch?
a) Leistungsverweigerungsrecht
Nein. Während einer Pandemie bleibt die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers grundsätzlich bestehen. Er hat seine Arbeit anzutreten. Die Angst vor einer Ansteckung berechtigt den Arbeitnehmer nicht, seine Arbeitsleistung gem. § 273 Abs. 1 BGB zurückzuhalten.
b) Entgeltfortzahlung
Bleibt der Arbeitnehmer dennoch seinem Arbeitsplatz fern, besteht kein Vergütungsanspruch. Es gilt der Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn.“ Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nur dann zur Entgeltzahlung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbracht hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht hat oder der Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlichen, tariflichen, betriebsverfassungsrechtlichen oder arbeitsvertraglichen Regelung zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.
c) Pflichtverletzung
Daneben stellt das Verhalten des Arbeitnehmers eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Bleibt der Arbeitnehmer ohne ein bestehendes Leistungsverweigerungsrecht seinem Arbeitsplatz fern, fehlt er unentschuldigt. Das Verhalten des Arbeitnehmers kann daher abgemahnt werden. Das wiederholte oder beharrliche Fernbleiben vom Arbeitsplatz kann, nach entsprechender Abmahnung, eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.
2. Darf der Arbeitnehmer von der Arbeit fernbleiben, wenn ein anderer Mitarbeiter des Betriebes unter häusliche Quarantäne gestellt wurde? Hat der Arbeitnehmer trotz der Leistungsverweigerung einen Vergütungsanspruch?
a) Leistungsverweigerungsrecht
Nein, dem Arbeitnehmer steht kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Der Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Fürsorgepflicht jedoch Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu ergreifen. Hierbei hat er seine organisatorischen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die beschäftigten Arbeitnehmer vor einer Ansteckung zu bewahren.
Lediglich wenn der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht im ausreichenden Maß nachkommt und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gesundheit oder das Leben des Arbeitnehmers gefährdet ist, kann der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung verweigern.
b) Entgeltfortzahlung
Der Arbeitnehmer kann seine Arbeitsleistung nur unter zu Recht verweigern, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen.
(1) Der Arbeitgeber hat keine ausreichenden Schutzmaßnahmen ergriffen.
(2) Es bestehen konkrete Anhaltspunkte für die Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens des Arbeitnehmers.
Nur dann bleibt der Vergütungsanspruch bestehen. Bleibt der Arbeitnehmer hingegen seinem Arbeitsplatz fern, besteht kein Vergütungsanspruch.
c) Pflichtverletzung
Besteht kein Leistungsverweigerungsrecht, kann das Verhalten des Arbeitnehmers abgemahnt werden und unter Umständen eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.
3. Kann der Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Dienstreise oder an dienstlichen Veranstaltungen verweigern?
Grundsätzlich sind Arbeitnehmer verpflichtet, die arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen, wozu auch Dienstreisen und dienstliche Veranstaltungen zählen, zu erbringen. Allerdings kann ein Leistungsverweigerungsrecht bestehen, wenn dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Eine Unzumutbarkeit ist z. B. dann gegeben, wenn die Arbeit für den Betroffenen eine erhebliche objektive Gefahr oder zumindest einen ernsthaften objektiv begründeten Verdacht der Gefährdung für Leib oder Gesundheit darstellt. Dies dürfte aufgrund der aktuellen Entwicklung und der Einstufung der meisten Länder als nicht mehr gegeben anzusehen sein. Die bloße Befürchtung, man könne sich mit dem Corona-Virus infizieren, dürfte ohne weitere objektiv begründete Anhaltspunkte nicht ausreichen, um die Teilnahme an einer Dienstreise oder sonstigen dienstlichen Veranstaltungen zu verweigern.
H. Kurzarbeit
1. Was ist Kurzarbeitergeld? Welche Neuregelungen wurden im Zusammenhang mit dem Kug eingeführt?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kurzarbeit und das Kug wurden im Eilverfahren in mehreren Gesetzespaketen angepasst, unter anderem mit dem sog. Sozialschutzpaket II, dessen Regelungen durch die Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeld-verordnung, die Zweite Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung, das Beschäftigungssicherungsgesetz, die Dritte Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung, die Vierte Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung, die Verordnung über die Bezugsdauer und Verlängerung der Erleichterungen der Kurzarbeit, das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Vorschriften und zuletzt durch das Kurzarbeitergeldverlängerungsgesetz verlängert wurden.
Die das Kug betreffenden Regelungen des Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutz-gesetzes und weiterer Vorschriften treten am 1. April 2022 in Kraft, damit gelten folgende Erleichterungen:
- Es genügt nach § 421c Abs. 4 S. 2 SGB III, wenn 10 % der Beschäftigten eines Betriebes von einem Arbeitsausfall (mit Entgeltausfall von mehr als 10 % des Bruttoentgelts) betroffen sind, damit ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen kann (bisher 1/3 der Belegschaft). Diese Regelung ist befristet bis 30. Juni 2022.
- Sozialversicherungsbeiträge, die die Arbeitgeber für ihre kurzarbeitenden Beschäftigten allein tragen müssen, wurden gemäß § 2 KugV befristet bis zum 31. Dezember vom ersten Tag an von der BA vollständig erstattet. Seit dem 01. Januar 2022 bis 31. März 2022 werden die allein vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge gem. § 3 KugverlV in Höhe von 50 % erstattet.
- Nach Wegfall der vollständigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge gem. § 3 KugverlV greift der zum 1. Januar 2021 mit dem Beschäftigungssicherungsgesetz (BeschSiG) geänderte § 106a SGB III, wonach eine zusätzliche Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 50 % bei Weiterbildung gewährt werden kann. Eine hälftige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge ist dann möglich, wenn die Weiterbildungsmaßnahme während des individuellen Bezugs von Kug begonnen wurde und wenn eine der beiden Voraussetzungen erfüllt ist:
- Die Weiterbildungsmaßnahme hat einen Mindestumfang von über 120 Stunden, und Träger und Maßnahme sind nach AZAV zugelassen. Oder:
- Die Weiterbildungsmaßnahme bereitet auf ein nach § 2 Abs. 1 AFBG förderfähiges Fortbildungsziel vor.
Die Regelung ist befristet bis zum 31. Juli 2023. Die Lehrgangskosten von Weiterbildungen der Maßnahmen nach Nummer 1 (nicht nach Nummer 2 - § 2 Abs. 1 AFBG) können auch, abhängig von der Betriebsgröße, gefördert werden (siehe dazu auch das BDA FAQ-Papier zu Weiterbildung und Kug).
Im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis zum 31. März 2022 ist somit eine 100 % Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge möglich, wenn in diesem Zeitraum eine Weiterbildung während Kug durchgeführt wird.
- Die Gewährung von Kug ist nach § 11 Abs. 4 S. 3 AÜG auch für Beschäftigte in Zeitarbeit (Leiharbeitnehmer) möglich. Diese Regelung ist befristet bis 30. Juni 2022.
- Auf den Aufbau von Minusstunden zur Vermeidung von Kurzarbeit wird nach § 421c Abs. 4 S. 3 SGB III verzichtet. Diese Regelung ist befristet bis 30. Juni 2022.
- Die Bezugsdauer für das Kug für Beschäftigte, deren Anspruch auf Kug bis zum Ablauf des 30. Juni 2021 entstanden ist, wird gem. § 421c Abs. 3 SGB III auf bis zu 28 Monate, längstens bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Für Betriebe, die erst ab Juli 2021 oder später Kurzarbeit eingeführt haben, gilt wieder die übliche Bezugsdauer von zwölf Monaten. Diese Regelung ist rückwirkend zum 1. März 2022 in Kraft getreten, damit kann in allen Betrieben, die seit März 2020 kurzarbeiten durchgängig Kug gewährt werden.
- Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung werden nach § 421c Abs. 1 SGB III seit April 2020 nicht auf das Kug angerechnet, soweit das Entgelt aus der Nebentätigkeit zusammen mit dem verbliebenen Ist-Entgelt das Soll-Entgelt nicht übersteigt. Durch das Beschäftigungssicherungsgesetz wurde diese Regelung dahingehend verlängert, dass ab 1. Januar 2021 lediglich das Entgelt aus Minijobs (ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), die während der Kurzarbeit aufgenommen worden sind, nicht angerechnet wird. Diese Regelung wurde zuletzt durch das Kurzarbeitergeldverlängerungsgesetz verlängert bis 30. Juni 2022, ab Juli 2022 sind Nebeneinkünfte auch aus Minijobs dem Ist-Entgelt wieder hinzuzurechnen gem. § 106 Abs. 3 SGB III.
- Das Kug wird gem. § 421c Abs. 2 SGB III auf 70/77 % ab dem 4. Bezugsmonat und 80/87 % ab dem 7. Bezugsmonat erhöht, wenn ein Arbeitsausfall mit Entgeltausfall von mindestens 50 % im jeweiligen Bezugsmonat vorliegt. Diese Regelung wurde zuletzt durch das Kurzarbeitergeldverlängerungsgesetz bis Juni 2022 verlängert. Ab Juli 2022 gilt somit wieder die reguläre Höhe des Kurzarbeitergeldes von 60/67 % gem. § 105 SGB III. Bei der Berechnung der Bezugsmonate kommt es einzig auf den individuellen Bezugszeitraum der Beschäftigten und nicht auf die betriebliche Bezugsdauer an.
2. Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, um Kurzarbeitergeld bekommen zu können?
Kurzarbeitergeld kann grundsätzlich gewährt werden, wenn zwischen Arbeitgeber und den betroffenen Arbeitnehmern/innen wirksam eine arbeitsrechtliche Reduzierung der Arbeitszeit vereinbart wurde.
a) Betriebe mit Betriebsrat
Da es sich hierbei um einen kollektiven Eingriff in die betriebsübliche Arbeitszeit handelt, ist eine solche Verkürzung mitbestimmungspflichtig, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einigen, kann von beiden Seiten die Einigungsstelle angerufen werden. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt dann die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
b) Betriebe ohne Betriebsrat
Um den bestehenden Arbeitsvertrag abzuändern, ist eine entsprechende Änderungsvereinbarung erforderlich, es sei denn, bereits im ursprünglichen Arbeitsvertrag ist eine Klausel zur Kurzarbeit vorhanden.
3. Für wen gilt der Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben alle ungekündigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch die Kurzarbeit einen Gehaltsausfall von über zehn Prozent haben und weiterhin versicherungspflichtig beschäftigt sind. Ist die sogenannte Erheblichkeitsschwelle erreicht (mind. zehn Prozent der Belegschaft hat einen Arbeitsausfall von über zehn Prozent) können auch ungekündigte, versicherungspflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Gehaltsausfall zehn Prozent oder weniger beträgt, Kurzarbeitergeld erhalten.
4. Können Auszubildende Kurzarbeitergeld erhalten?
Auszubildende können unter bestimmten Voraussetzungen Kug erhalten. Maßgebliches Kriterium bei der Prüfung der Notwendigkeit von Kurzarbeit bei Auszubildenden ist die Fortsetzungsmöglichkeit der Ausbildung – ggf. unter veränderten Bedingungen. Ist dennoch die Kurzarbeit für Auszubildende unvermeidbar, hat der oder die Auszubildende zunächst für die Dauer von 6 Wochen Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG - Berufsbildungsgesetz. Im Anschluss daran kann Kug gezahlt werden.
Der 6-Wochen-Zeitraum umfasst grundsätzlich eine Zeitspanne von 42 Kalendertagen, was z. B. bei einer 5-Tage-Woche 30 Arbeitstagen entspricht. Die Frist beginnt mit dem ersten Tag, an dem der/die Auszubildende wegen Arbeitsausfalls mit der Arbeit aussetzen muss. Sie läuft nur an Ausfalltagen und endet bei einer 5-Tage-Woche nach 30 Ausfalltagen.
Während der Berufsschulzeiten liegt kein Ausbildungsausfall vor. Der/die Auszubildende hat für Zeiten der Berufsschule daher keinen Anspruch auf Kug. Während der Schließung der Berufsschulen ist im Hinblick auf einen Anspruch auf Kug maßgeblich, ob und inwieweit dadurch ein Ausbildungsausfall entsteht. Wird der Ausfall von (Präsenz-) Unterricht durch Online-Beschulung ersetzt, entsteht kein Ausbildungsausfall.
Dieser Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 a BBiG ist dabei an die betriebliche Bezugsdauer gekoppelt. Das bedeutet bei einer Unterbrechung der Kurzarbeit für drei zusammenhängende Monate lebt er wieder auf und Kug kann erst nach erneutem Ablauf der 6-wöchigen Fortzahlung der Ausbildungsvergütung gewährt werden. Wird hingegen in einem Betrieb das Kurzarbeitergeld ohne Unterbrechung oder nur kurzzeitigen Unterbrechungen unter drei Monaten bezogen, besteht kein erneuter Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die Auszubildenden.
Das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ ist zum 1. August 2020 gestartet und im Dezember 2020 sowie im März 2021 weiterentwickelt worden. Mit dem Programm sollen u. a. Ausbildungsbetriebe mit bis zu 249 Beschäftigten, ab März 2021 mit 499 Beschäftigten unterstützt werden, die ihre Aktivitäten auch in der Krise fortsetzen und für Auszubildende sowie deren Ausbilder keine Kurzarbeit anmelden. Das Programm beinhaltet eine Förderung von 75 % der Brutto-Ausbildungsvergütung sowie ab März 2021 50 % der Brutto-Ausbildervergütung (max. 4.000 € pro Monat).
Bemessungsgrundlage ist jeweils das Arbeitnehmerbrutto der Auszubildenden bzw. Ausbilderinnen und Ausbilder zuzüglich einer Sozialversicherungspauschale von 20 %. Sie greift für jeden Monat, in dem der Betrieb einen Arbeitsausfall durch Beschäftigte mit Kurz-arbeitergeld-Bezug von mindestens 50 % hat. Der „Zuschuss zur Ausbildungs- und Ausbildervergütung“ zur Vermeidung von Kurzarbeit ist befristet bis zum 31. Dezember 2021. Die BA hat zu Fragen zum Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ umfangreiche FAQ veröffentlicht.
5. Wie verfährt ein Arbeitgeber mit geringfügig Beschäftigten, wenn keine Arbeit vorhanden ist? Müssen diese erst entlassen werden, bevor Kurzarbeit angezeigt werden kann?
Geringfügig Beschäftigte müssen nicht entlassen werden, bevor Kurzarbeit eingeführt werden kann. Allerdings erhalten geringfügig Beschäftigte kein Kurzarbeitergeld, da sie keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichten. Sie zählen aber beim Mindesterfordernis (10 % der Beschäftigten) mit.
6. Muss ein Arbeitgeber für den ganzen Betrieb Kurzarbeit anzeigen oder können auch nur Abteilungen betroffen sein?
Kurzarbeit muss nicht zwingend den gesamten Betrieb betreffen. Die Kurzarbeit kann auch auf einzelne Betriebsabteilungen beschränkt sein.
Eine Betriebsabteilung zeichnet sich durch eine eigene Leitung und die Verfolgung eines eigenen arbeitstechnischen (Hilfs-)Zwecks. Die Abteilung bildet eine geschlossene Arbeitsgruppe mit eigenen Arbeitsmitteln und einer räumlichen Trennung zur übrigen Belegschaft. Maßgeblich kann auf das Organigramm des Betriebes zurückgegriffen werden.
Eine Differenzierung nach Abteilung kann dann vorteilhaft sein, wenn die Kurzarbeit „wellenförmig“ durch den Betrieb läuft. Die maximale Bezugsdauer wird dann auch abteilungsweise betrachtet.
7. Müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Urlaub vor Beginn des Bezugs von Kurzarbeitergeld genommen haben?
Zur Vermeidung von Kurzarbeit werden normalerweise die bestehenden Urlaubspläne und Betriebsferien bei der Gewährung von Kug berücksichtigt. Nicht verplanter Erholungsurlaub muss regelmäßig zur Vermeidung der Kurzarbeit eingebracht werden. Im Jahr 2020 hatte die BA bis zum 31. Dezember 2020 davon abgesehen, die Einbringung von Erholungsurlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr zur Vermeidung von Kurzarbeit einzufordern.
Diese Sonderregelung der BA wurde nicht verlängert. Das bedeutet, dass seit dem 1. Januar 2021 die BA wieder nach § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III die Einbringung von Urlaub einfordert.
Demnach ist ein Arbeitsausfall vermeidbar, wenn er durch Gewährung von Erholungsurlaub verhindert oder verkürzt werden kann, sofern vorrangige Urlaubswünsche der Beschäftigten nicht entgegenstehen. Um entgegenstehende Wünsche der Beschäftigten darzulegen, raten wir dazu, bei der Urlaubsplanung den gesamten Erholungsurlaub des laufenden Urlaubsjahres vollständig zu verplanen. Hierbei ist eine formlose Urlaubsplanung, Urlaubsliste oder Vereinbarung über Betriebsferien ausreichend, insbesondere muss der Urlaub von den Beschäftigten noch nicht verbindlich beantragt worden sein. Der Urlaub wird dann zu den geplanten Zeiten genommen und eingebracht. Wird von dieser Planung nur aufgrund von Kurzarbeit abgewichen, liegt kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vor. Wollen die Beschäftigten aber doch zu einem anderen Zeitpunkt Urlaub nehmen, können diese Urlaubspläne zu jedem Zeitpunkt für die Zukunft geändert werden.
Nach einer mit dem BMAS abgestimmten Anwendungsregelung dürfen die Unternehmen sich bei der Urlaubsplanung zudem auf die betriebliche Praxis berufen. Das heißt, dass Urlaubspläne oder Urlaubslisten nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen müssen, sondern so erstellt werden können, wie es im Betrieb üblich ist. Wird z. B. üblicherweise erst zum März eine Urlaubsplanung von den Beschäftigten verlangt, muss diese auch erst im März auf Anfrage bei der Arbeitsagentur eingereicht werden. Wenn es gar keine Urlaubsplanung gibt, muss gegen Ende des Urlaubsjahres 2021 der Urlaub, der nicht in das Urlaubsjahr 2022 übertragen werden kann, zur Vermeidung der Kurzarbeit festgelegt werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind in jedem Fall Resturlaubsansprüche einzubringen, die zu verfallen drohen. Sofern Resturlaubsansprüche aus 2020 aufgrund einer arbeits- oder tarifvertraglichen Regelung in das Urlaubsjahr 2021 übertragen wurden, sind diese zur Vermeidung von Arbeitsausfällen einzusetzen. Das heißt, Arbeitgeber haben mit Beschäftigten, die noch „alte“, bisher unverplante Urlaubansprüche haben, die zu verfallen drohen, den Antritt dieses Urlaubs in Zeiten mit Arbeitsausfall im Betrieb zu vereinbaren. Die vorrangigen Urlaubswünsche der Beschäftigten gehen aber auch hier vor. Urlaubsansprüche, die nicht in das Folgejahr übertragen werden können, sind zwingend zur Vermeidung der Kurzarbeit spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres einzubringen. Erst wenn Resturlaub nicht eingebracht wurde und verfällt liegt insoweit kein unvermeidbarer Arbeitsausfall vor.
Grundsätzlich gilt, dass die Prüfung der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls durch unverplanten Urlaub sich darauf beschränkt, ob der Arbeitgeber eine Bestimmung über den Antritt des Urlaubs treffen könnte (vgl. Rn. 96.44 der Fachlichen Weisungen Kug). Das bedeutet, dass hierbei die arbeitsrechtlichen Grenzen der Urlaubsfestsetzung berücksichtigt werden müssen. Das heißt beispielsweise, dass eine stundenweise Einbringung von Erholungsurlaub nicht möglich ist.
Zur Frage einer möglichen Verminderung des Urlaubsanspruchs für Zeiten der Kurzarbeit hat das BAG (Urteil. v. 30. November 2021 – 9 AZR 234/21) entschieden, dass aufgrund von Kurzarbeit einzelne vollständig ausfallende Arbeitstage bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen sind. Für diese Zeiten wird kein Anspruch auf Erholungsurlaub erworben. Dies betrifft sowohl den gesetzlichen Mindesturlaub nach Bundesurlaubs-gesetz (BurlG), als auch einen übergesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub.
Eine entsprechende arbeitsrechtlich zulässige Kürzung des Urlaubs wird von der BA berücksichtigt (vgl. 2.3 der Weisung – Regelungen zum Verfahren Kurzarbeitergeld für das Jahr 2022).
8. Was gilt für Urlaub im Zeitraum der Kurzarbeit?
Bereits genehmigter Urlaub ist von den Arbeitnehmern wie geplant zu nehmen. Nach der Weisung der Bundesagentur für Arbeite haben die Agenturen für Arbeit bei der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls unter anderem zu prüfen, ob bereits geplanter und gewährter Urlaub während der Kurzarbeit aufgrund der Urlaubsliste, des Urlaubsplans oder aufgrund von Betriebsferien einzubringen wäre. Über noch nicht genehmigte Urlaubsanträge im Zeitraum der Kurzarbeit können Arbeitgeber wie gewohnt entscheiden. Empfohlen wird, in Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit festzulegen, dass der Mitarbeiter für den Zeitraum der Urlaubsgewährung von der Kurzarbeit ausgenommen wird. Andernfalls besteht das Risiko, dass der Urlaub den Arbeitnehmern nachträglich zu gewähren ist. Zu beachten ist nämlich, dass mit der Vereinbarung von Kurzarbeit auch die Arbeitspflicht entfällt. Das zugrunde gelegt, könnte auch die Auffassung vertreten werden, dass die Urlaubsgewährung nachträglich obsolet wird, weil der bezweckte Erfolg, d. h. die Befreiung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht für die Dauer des Urlaubs, nicht mehr eintreten kann. Der Arbeitnehmer bleibt auch an den Tagen in Kurzarbeit, für die eigentlich Urlaub vereinbart wurde. Der Urlaub würde damit nicht verbraucht.
9. Kann der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit »gekürzt« werden?
Unseres Erachtens kann der Urlaubsanspruch „gekürzt“ werden. Das folgt u. E. aus zwei Entscheidungen des EuGH aus dem Jahr 2012 und 2018. Der EuGH vertrat in seinem Urteil aus dem Jahr 2012 die Ansicht, dass eine Regelung in einem Sozialplan, wonach sich der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur erfolgten Arbeitszeitverkürzung verringert, mit europäischem Unionsrecht vereinbar ist. Damit darf u. E. auch der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung (pro-rata temporis bzw. zeitanteilig) neu berechnet werden. Die Urlaubsansprüche sind durch Umrechnung an die neue Arbeitsverpflichtung anzupassen.
Dabei gilt: Ist die Kurzarbeit so ausgestaltet, dass sich zwar die tägliche Arbeitszeit verringert, die Anzahl der Wochenarbeitstage aber gleichbleibt, wirkt sich dies auf die – stets in Tagen bemessene – Urlaubsdauer nicht aus. Ändert sich hingegen die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht, wird der Urlaub neu berechnet. Wird beispielsweise „Kurzarbeit Null″ für die Dauer von drei Monaten angeordnet, mindert sich der Jahresurlaubsanspruch um ein Viertel.
Zur Frage einer möglichen Verminderung des Urlaubsanspruchs für Zeiten der Kurzarbeit hat das BAG (Urteil. v. 30. November 2021 – 9 AZR 234/21) nunmehr entschieden, dass jedenfalls bei „Kug Null“ in Zeiten der Kurzarbeit kein Anspruch auf Erholungsurlaub erworben wird. Dies betrifft sowohl den gesetzlichen Mindesturlaub nach Bundesurlaubs-gesetz (BurlG), als auch einen übergesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub.
Eine entsprechende arbeitsrechtlich zulässige Kürzung des Urlaubs wird von der BA berücksichtigt (vgl. 2.3 der Weisung – Regelungen zum Verfahren Kurzarbeitergeld für das Jahr 2022).
10. Verringert sich der Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit mit Verringerung der Tage mit Arbeitspflicht automatisch oder bedarf es hierzu einer Ermächtigungsgrundlage in Form einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung (zur Kurzarbeit) oder individuellen Vereinbarung zur Kurzarbeit?
Es ist derzeit offen, ob die Verringerung der Urlaubsansprüche nach deutschem Recht – im Lichte des Unionsrechts interpretiert – während der Kurzarbeit stets automatisch eintritt oder ob es einer entsprechenden Regelung der Betriebs- oder der Arbeitsvertragsparteien bedarf. Aufgrund der Vergleichbarkeit zur Situation bei Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit spricht u. E. dafür, dass sich der Urlaubsanspruch entsprechend den Regelungen bei Wechsel von Vollzeit zu Teilzeit automatisch verringert, ohne dass es einer vorherigen Vereinbarung bedarf.
11. Müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Zeitguthaben vor Beginn des Bezugs von Kurzarbeitergelb abgebaut haben?
Der Arbeitsausfall muss unvermeidbar sein, daher müssen Beschäftigte mit flexibler Arbeitszeit zunächst in einem gewissen Umfang Überstunden abbauen. Teilweise ist das Arbeitszeitguthaben geschützt, diese Fälle sind in § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III abschließend geregelt (ausführliche Darstellung in der Weisung der BA unter 2.8). Die Vermeidung der Kurzarbeit durch den Abbau von Überstunden muss aber wirtschaftlich zumutbar sein. Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit kann vorliegen, wenn die kurzfristige Liquidität des Arbeitgebers durch die Maßnahme zur Vermeidung der Kurzarbeit gefährdet ist. Das ist vom Einzelfall abhängig. Jedenfalls müssen aufgrund der Neuregelungen keine Minusstunden aufgebaut werden.
Die Beschäftigten, die zur Vermeidung der Kurzarbeit zunächst Zeitguthaben einsetzen, werden aber trotzdem bei der Berechnung des Mindesterfordernisses (10 % der Beschäftigten) berücksichtigt.
12. Was ist zur Beantragung von Kurzarbeitergeld zu tun?
Das Verfahren ist zweistufig aufgebaut.
- Der Arbeitsausfall wird vom Arbeitgeber oder von der Betriebsvertretung bei der zuständigen Agentur für Arbeit schriftlich angezeigt (1. Stufe). Zuständig ist die Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat. Der Arbeitgeber errechnet das Kurzarbeitergeld und zahlt es an die Beschäftigten aus.
- Im Anschluss daran richtet der Arbeitgeber einen schriftlichen Antrag auf Erstattung des von ihm verauslagten Kurzarbeitergeldes an die Agentur für Arbeit in deren Bezirk die für den Arbeitgeber zuständige Lohnabrechnungsstelle liegt (2. Stufe). Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten einzureichen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Kalendermonats (Anspruchszeitraums), in dem die Tage liegen, für die Kurzarbeitergeld beantragt wird.
13. Auf welcher Grundlage berechnet sich das Kurzarbeitergeld, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer über der Beitragsbemessungsgrenze verdient?
Der Berechnung des Kurzarbeitergeldes liegt die Differenz aus dem Istentgelt (tatsächliches Bruttoentgelt im Monat der Kurzarbeit) und dem Sollentgelt (beitragspflichtiges Bruttoentgelt, das die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall im Anspruchsmonat verdient hätte) zugrunde. Als Sollentgelt ist daher grundsätzlich das regelmäßige laufende Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Aufgrund der Beitragsfinanzierung der Arbeitslosenversicherung ist damit der Entgeltausfall bis zu dem Entgelt abgesichert, bis zu den Beiträgen entrichtet werden.
Liegt auch während der Kurzarbeit das erzielte Istentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, kann daher kein Kurzarbeitergeld gezahlt werden.
14. Wie wirkt sich ein Hinzuverdienst/eine Nebenbeschäftigung auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes aus?
Nebeneinkünfte aus einer Beschäftigung, die während des Bezugs von Kug begonnen wurde, sind grundsätzlich gem. § 106 Abs. 3 SGB III auf das Ist-Entgelt anzurechnen, d. h. sie reduzieren das Kug. Nach den erleichterten Regelungen waren Einkünfte aus einer entsprechenden Nebenbeschäftigung anrechnungsfrei, soweit das Entgelt aus der Nebentätigkeit zusammen mit dem verbliebenen Ist-Entgelt (und einem etwaigen Arbeitgeberzuschuss zum Kug) das Soll-Entgelt nicht übersteigt. Diese Regelung ist zum Ende des Jahres 2020 ausgelaufen.
Einkommen aus Minijobs (ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), die während der Kurzarbeit aufgenommen wurden, wird nach § 421c Abs. 1 SGB III jetzt bis 30. Juni 2022 pauschal nicht angerechnet. Diese Regelung wurde zuletzt durch das Kurzarbeitergeldverlängerungsgesetz entsprechend verlängert.
Auch Einkünfte aus einem Minijob, der während der Kurzarbeit aufgenommen worden ist, sind somit ab Juli 2022 dem Ist-Entgelt hinzuzurechnen und verringern damit das Kurzarbeitergeld.
15. Können Beschäftigte während der angemeldeten Kurzarbeit gekündigt werden?
Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Kündigung als letztes Mittel) kann die Einführung von Kurzarbeit bei vorübergehendem Arbeitsausfall als milderes Mittel eine betriebsbedingte Kündigung unzulässig machen. Kurzarbeit schließt jedoch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit der betreffenden Arbeitnehmer auf Dauer entfällt. Falls tatsächlich eine Kündigung erfolgt, kann Kurzarbeitergeld nicht mehr gezahlt werden.
16. Was ist beim Zusammentreffen von Arbeitsunfähigkeit und Kurzarbeit zu beachten?
Die Abgrenzung von Ansprüchen auf Krankengeld und Kug führt immer wieder zu Fragen. Es werden viele Anträge bei Krankenkassen gestellt, bei denen eigentlich die Arbeitsagenturen zuständig wären.
Beispiel: Kurzarbeit beantragt ab 15. März 2020, d. h. Anspruchszeitraum für Kug ist März 2020
- Person mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung erkrankt bereits im Februar: Anspruch auf Krankengeld i. H. des Kug gegen die zuständige Krankenkasse (§ 47b Abs. 4 SGB V)
- Person mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung erkrankt am 16. März 2020: Anspruch auf Kug-Leistungsfortzahlung gegen die BA
- Person mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung erkrankt am 6. März 2020: auch in diesem Fall Anspruch auf Kug-Leistungsfortzahlung gegen die BA
Dies ergibt sich daraus, dass maßgeblich für die Abgrenzung von Krankengeld und Kug der betriebliche Anspruchszeitraum ist. Dieser ist gem. § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III i. V. m. § 325 Abs. 3 SGB III der Kalendermonat, für den Kug beantragt wird, unabhängig davon, wann genau in diesem Monat der Arbeitsausfall eingetreten ist.
Für die Abrechnung der Arbeitgeber mit den Krankenkassen wurde im Gemeinsamen Rundschreiben zum Krankengeld nach § 44 SGB V und zum Verletztengeld nach § 45 SGB VII u. a. vom GKV Spitzenverband in der Anlage 2 (Seite 280 f.) eine einheitliche „Abrechnungsliste für Krankengeld bei Kurzarbeit/Saisonkurzarbeit“ aufgenommen. Diese Liste ist für den DTV (Datenträgeraustausch) nutzbar. Dabei sollte jedoch für jede Krankenkasse eine separate Liste erstellt werden. Die dort geforderte Betriebsnummer ist auf der Abrechnungsliste der BA inzwischen vorgesehen.
17. Wie verhält es sich mit der Feiertagsbezahlung, wenn Kurzarbeit hinzutritt?
Grundsätzlich gilt Arbeitszeit an einem Feiertag in einem Kurzarbeits-Zeitraum gem. § 2 Abs. 2 EntgFG als aufgrund des Feiertages ausgefallen. Das heißt, für diesen Tag besteht ein Anspruch auf Entgeltzahlung und damit kein Anspruch auf Kug.
Ein Anspruch auf Kug kann jedoch bestehen, wenn die betreffenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an dem Feiertag gearbeitet hätten. Die vorgesehene Arbeitseinteilung an Feiertagen kann aus entsprechenden Dienst- oder Einsatzplänen nachvollzogen werden.
Ob ein möglicher Anspruch auf Gewährung eines Ersatzruhetages gem. § 11 Abs. 3 ArbZG Auswirkungen auf den Kug-Anspruch haben kann, ist im Einzelfall davon abhängig, wann dieser Tag gewährt wird, ob hierfür ein Arbeitsentgeltanspruch besteht und ob in dem entsprechenden Monat Kug beansprucht wird. Grundsätzlich ist die BA jedoch nicht zuständig für die Prüfung der Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes.
18. In welchem Verhältnis stehen der Anspruch auf Kug und der Entschädigungsanspruch aus § 56 IfSG?
Wenn der Arbeitnehmer unter eine behördlich angeordnete Quarantäne oder ein Verbot der beruflichen Tätigkeit fällt und er deshalb seine Arbeitsleistung nicht anbieten kann, liegt kein Fall der Kurzarbeit vor. Ebenso verhält es sich, wenn Betreuungseinrichtungen für Kinder oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen schließen und keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden konnte als durch die Beschäftigten selbst. Der Entschädigungsanspruch richtet sich dabei immer nach dem Verdienst, den der oder die Beschäftigte gehabt hätte, wenn keine Quarantäne angeordnet worden wäre, d. h., sofern keine Kurzarbeit vereinbart wurde, in Höhe des Nettoverdienstes, bei Kurzarbeit in Höhe der Summe aus Restgehalt und Kug. Der Arbeitgeber zahlt in diesen Fällen bis zu 6 Wochen die Entschädigung in der jeweiligen Höhe anstelle der zuständigen Landesbehörde aus und hat dann gegen diese einen Erstattungsanspruch (§ 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG).
Lediglich in den Fällen, in denen die Quarantäne erst angeordnet wurde, als sich die oder der konkrete Beschäftigte schon in Kurzarbeit befand, kann Kug von der Bundesagentur für Arbeit bezogen werden. In dieser Konstellation geht der Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 9 IfSG auf die Bundesagentur für Arbeit über. In der Umsetzung bedeutet das: der Arbeitgeber zahlt der oder dem Beschäftigten Entschädigung in Höhe des Kug (oder Verdienst + Kug, wenn nicht Kurzarbeit „Null") und beantragt bei der Bundesagentur für Arbeit auch für diese Person Kug mit, gibt aber an, dass Quarantäne angeordnet wurde. Dies geschieht, indem im Kug-Antrag per Abrechnungsliste, in Spalte 2 im Feld Personalveränderung „Quarantäne am“ ausgewählt und das Datum des Beginns der Quarantäne erfasst wird. Sofern kein „Kug-Null“ vorliegt, teilt sich der Anspruch dabei auf in den Teil, der in Höhe des Kug durch die BA ausgezahlt wird und in den Verdienstausfall, der durch die zuständige Landesbehörde ausbezahlt wird.
Für die Abgrenzung, ob bei Anordnung einer Quarantäne ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht, sind die gleichen Maßstäbe anzusetzen, die auch im Falle der Arbeitsunfähigkeit gelten. Die Quarantäne muss während des Bezugs von Kurzarbeitergeld beginnen. Da das Kurzarbeitergeld jeweils für den Anspruchszeitraum (Kalendermonat, vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) beantragt und gewährt wird, ist die Voraussetzung, dass der Betrieb sich in Kurzarbeit befinden muss, immer dann erfüllt, wenn die Quarantäne im ersten Anspruchszeitraum (auch an dem Tag, an dem der Kalendermonat beginnt) oder nachfolgenden Anspruchszeiträumen beginnt. Es kommt somit für die Bestimmung des Beginns der Kurzarbeit ausschließlich auf die betriebliche Bezugsdauer an, d. h. sobald der Betrieb in Kurzarbeit ist, kann für Tage, in denen ein sich in Quarantäne befindender Beschäftigter in Kurzarbeit gewesen wäre, der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG über die BA geltend gemacht werden.
Wenn Betreuungseinrichtungen für Kinder oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen schließen und keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit sichergestellt werden kann, als durch die Beschäftigten selbst, erlangen die Beschäftigten ebenfalls einen Entschädigungsanspruch. Dieser besteht bei zuvor begonnener Kurzarbeit nicht für die Arbeitszeit, die ohnehin aufgrund der Kurzarbeit ausfällt, denn insoweit liegt kein Verdienstausfall vor. Dementsprechend wird für diese Zeit anders als im Falle des § 56 Abs. 1 IfSG weiter Kug durch die BA gezahlt und für den Verdienstausfall eine Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG durch die zuständige Landesbehörde. Es gehen keine Ansprüche auf die BA über. Deshalb ist in diesem Fall keine Angabe eines „Q“ in der Abrechnungsliste notwendig.
19. Welche Unterlagen müssen für die Abschlussprüfung bereitgehalten werden?
Der Grundbescheid und die Zahlung des Kug erfolgen im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung gem. § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Einige Monate nach dem Ende des Kug-Bezugs werden die abgerechneten Bezugszeiträume abschließend geprüft. Das Ergebnis der Abschlussprüfung führt zu einer endgültigen Entscheidung, die schriftlich mitgeteilt wird. Für die Abschlussprüfung werden von der Arbeitsagentur ausgewählte, zu prüfende Lohn- und Arbeitszeitunterlagen schriftlich angefordert. Es sollten insbesondere folgende Unterlagen bereitgehalten werden:
- Nachweis der arbeitsrechtlich zulässigen Einführung der Kurzarbeit (Betriebsvereinbarung oder Einzelvereinbarung mit den betroffenen Beschäftigten)
- Entgeltabrechnungen
- Arbeitszeitnachweise
- Beitragsnachweise für die Sozialversicherung
- Ggf. Urlaubsnachweise und Krankenscheine
- Dienst-/Einsatzpläne, wenn Arbeit am Wochenende/Feiertagen ausfällt, damit die dafür vorgesehenen Beschäftigten erkennbar sind.
Weiterführende Informationen zum Thema Abschlussprüfung finden Sie auch in einem entsprechenden FAQ der Bundesagentur für Arbeit zu diesem Thema.
20. Was bedeutet die Abschlussprüfung?
Die Zahlung des Kug erfolgt im Rahmen einer vorläufigen Entscheidung gem. § 328 Abs.
1 Nr. 3 SGB III. Nach dem Ende des Kug-Bezugs werden die abgerechneten Bezugszeiträume abschließend geprüft. Das Ergebnis der Abschlussprüfung führt zu einer endgültigen Entscheidung, die regelmäßig schriftlich mitgeteilt wird.
Die BA schließt bei jedem Unternehmen, das kurzgearbeitet hat, das Verfahren mit einem abschließenden Bescheid ab. Dies gilt auch für „normale“ Zeiten. Alle noch offenen Sachverhalte, die im Rahmen der Anzeige und Bearbeitung der monatlichen Anträge nicht vollständig bearbeitet werden konnten, werden im Rahmen einer Abschlussprüfung dann abschließend nachgeholt. Bei der Prüfung fordert die Arbeitsagentur Unterlagen, Nachweise oder Abrechnungen an und erstellt einen abschließenden Bescheid. Wenn sich dabei herausstellt, dass zu wenig oder zu viel Kug geleistet wurde, kommt es zu Nachzahlungen oder Rückforderungen.
21. Wann findet die Abschlussprüfung statt?
Wenn die Kurzarbeit angezeigt wurde, ist das Kug für jeden Monat gem. § 325 Abs. 3 SGB III innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten zu beantragen. Das bedeutet, dass bei einer Unterbrechung von 3 Monaten nach dem letzten Monat, in dem Kug bezogen wurde, die Bezugsdauer beendet ist.
Erst nach Beendigung der Bezugsdauer kann eine Abschlussprüfung erfolgen. Die BA strebt an, diese auch trotz des erheblichen Kug-Aufkommens in Folge der Corona-Pandemie zeitnah nach Beendigung der Bezugsdauer durchzuführen.
22. Wie läuft die Abschlussprüfung ab?
In der Regel wird die Agentur bei den Betrieben, in denen kurzgearbeitet wurde, Unterlagen der Entgeltabrechnung, wie Arbeitszeitnachweise, Entgeltabrechnungen und Lohnjournale sowie fehlende Angaben anfordern, die bisher nicht in den monatlichen Abrechnungen angefordert wurden.
In wenigen Fällen werden die Agenturen auch Abschlussprüfung vor Ort durchführen. Das ist beispielsweise sinnvoll bei Lohnbüros, die für mehrere Betriebe das Kurzarbeitergeld abrechnen. Hier erspart eine Abschlussprüfung im Lohnbüro Wege und Übermittlungen für alle Beteiligten. Auch in großen Betrieben mit vielen Beschäftigten bietet sich eine Vor-Ort-Prüfung an, beispielsweise um den Versand größerer Dokumentenmengen für den Betrieb zu vermeiden.
23. Laufen die KUG-Abschlussprüfungen pandemiebedingt anders ab?
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde das Antragsverfahren beim Kurzarbeitergeld
vereinfacht. Ziel war es, Leistungen zur Stabilisierung der Beschäftigung schnellstmöglich ohne bürokratische Hürden auszuzahlen. Deshalb wird noch bis zum 30. Juni 2021 bei der Anzeige auf Kurzarbeit auf die sonst übliche Leistungsberatung verzichtet. Zudem müssen aktuell bestimmte Unterlagen bei der Anzeige nicht beigefügt werden, z. B. die Einzelvereinbarung von Kurzarbeit (siehe Vordruck Anzeige über Arbeitsausfall unter Punkt 6.). Die normalerweise in diesem Zusammenhang angeforderten Nachweise werden nun erst im Rahmen der Abschlussprüfung angefordert, insofern diese noch nicht bei den monatlichen Abrechnungen eingefordert wurden.
Vielfach wurde bei der Anzeige des Kurzarbeitergeldes bei der Begründung des Arbeitsausfalls lediglich „Corona“ angegeben. Die Begründung des Arbeitsausfalls werden die Arbeitsagenturen daher auf Plausibilität zum Zeitpunkt der Anzeige in Bezug zum Anerkennungsbescheid sowie im Verlauf bei Änderungen in den Verhältnissen (z. B. Lockerungen in der Pandemie) geprüft.
Der zur Verfahrensbeschleunigung bereitgestellte Kurzantrag enthält im Gegensatz zum „normalen“ Leistungsantrag keine Abfrage zu gekündigten Beschäftigten, Einbringung von Resturlaub und Arbeitszeitguthaben sowie Beantragung von Altersrente. Der Kurzantrag enthält eine Erklärung des Betriebes, dass diese Sachverhalte einem KUG-Anspruch nicht entgegenstehen. Somit werden diese Punkte im Rahmen der Abschlussprüfungen überprüft.
Im Rahmen der Abschlussprüfung müssen jetzt zudem zusätzliche Kriterien geprüft werden. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl an befristeten gesetzlichen Änderungen und Anpassungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen. So wird das Kurzarbeitergeld zum 4. bzw. 7. Bezugsmonat aufgestockt, wenn spätestens der März 2021 der erste Kalendermonat ist, für den einem Betrieb Kurzarbeitergeld gezahlt wird und die Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang bzw. ab 1. Oktober 2021 zur Hälfte den Betrieben erstattet, die bis zum 30. Juni 2021 mit Kurzarbeit begonnen haben. Im Fall von behördlich angeordneter Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz muss dies im Rahmen der monatlichen Abrechnung in den Abrechnungslisten gekennzeichnet werden. Diese Neuregelungen werden nun – anders als in „normalen“ Zeiten – im Rahmen der KUG-Abschlussprüfungen geprüft.
Keine Unterschiede gibt es beim Umfang der Prüfung. Die BA prüft wie in „normalen“ Zeiten alle Abrechnungsmonate im Rahmen der Abschlussprüfung.
24. Was wird im Rahmen der Abschlussprüfung geprüft?
Bei der Anzeige auf Kurzarbeit wird die Begründung zum Arbeitsausfall plausibilisiert. Des Weiteren werden alle Unterlagen auf Vollständigkeit geprüft und ggf. fehlende Unterlagen bzw. Angaben nachgefordert.
Der Arbeitgeber ist zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes verpflichtet. In der Abschlussprüfung wird diese Berechnung anhand betrieblicher Unterlagen (z. B. Entgeltabrechnung, Arbeitszeitnachweise) nachvollzogen.
25. Was muss beim Thema Qualifizierung und Kug beachtet werden?
Ungeförderte Weiterbildung während Kurzarbeit:
Es ist möglich, Zeiten der Kurzarbeit für Qualifizierung zu nutzen. Eine Teilnahme an einer Qualifizierung steht der Gewährung von Kurzarbeit grundsätzlich nicht entgegen, sofern mit der Weiterbildung erst nach der individuellen Kurzarbeit begonnen wurde. Bei nicht durch die BA geförderten Maßnahmen muss die Qualifizierungsmaßnahme allerdings überwiegend Inhalte vermitteln, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbar sind. Diese Einschränkung ist weit auszulegen. Sollten hierüber Zweifel bestehen, sollte Rücksprache mit dem zuständigen Arbeitgeberservice gehalten werden.
Geförderte Weiterbildung während Kurzarbeit nach § 106a SGB III – gültig ab 1. Januar 2021:
Die BA kann Qualifizierungen während des Bezugs von Kurzarbeitergeld nach § 106a SGB III durch eine anteilige Erstattung der Lehrgangskosten und hälftige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge fördern.
Eine hälftige Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge ist dann möglich, wenn die Weiterbildungsmaßnahme während des Bezugs von Kug begonnen wurde und wenn eine der beiden Voraussetzungen erfüllt ist:
a) Die Weiterbildungsmaßnahme hat einen Mindestumfang von über 120 Stunden, und Träger und Maßnahme sind nach AZAV zugelassen.
Oder:
b) Die Weiterbildungsmaßnahme bereitet auf eine nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) förderfähiges Fortbildungsziel vor.
Die Übernahme der hälftigen Sozialversicherungsbeiträge erfolgt nur für die Monate, in denen ein KUG-Bezug vorliegt und die Weiterbildung auch stattfindet.
Für Anpassungsqualifizierungen und Aufstiegsfortbildungen sowie für die abschlussorientierte Weiterbildung von qualifizierten Beschäftigten ist weiterhin Folgendes zu beachten:
Die anteilige Erstattung der Lehrgangskosten ist für Maßnahmen nach Ziffer 1 möglich. Für AFBG-Maßnahmen ist eine Förderung der Lehrgangskosten nach § 106a Abs. 2 SGB III hingegen ausgeschlossen. Die Förderung ist nach Betriebsgröße gestaffelt. Erstattet werden:
▪ 100% bei bis zu 9 Beschäftigten
▪ 50% bei 10 bis 249 Beschäftigten
▪ 25% bei 250 bis 2499 Beschäftigten
▪ 15% bei 2500 oder mehr Beschäftigten.
Die Weisung der BA zur Weiterbildung während des Bezugs von Kurzarbeitergeld stellt klar, dass sich der Begriff „Betrieb“ in § 106a SGB III am Betriebsbegriff i. S. d. Kurzarbeitergeldes nach § 97 SGB III orientiert. D. h., es wird nur die Zahl der Beschäftigten im angezeigten Betrieb oder in der angezeigten Betriebsabteilung berücksichtigt.
Dauert die Maßnahme über die Bezugsdauer von Kug hinaus an, werden die Lehrgangskosten bis zum Ende der Maßnahme erstattet. Allerdings ist für die weiterbildungsbedingte Freistellungszeit kein Arbeitsentgeltzuschuss nach § 82 SGB III möglich.
§ 106a SGB III ist befristet bis zum 31. Juli 2023. Das Erfordernis des zeitlichen Umfangs der Weiterbildungsmaßnahme von mindestens 50% der Arbeitsausfallzeit wurde durch das Beschäftigungssicherungsgesetz (BeschSiG) gestrichen.
Für die abschlussorientierte Weiterbildung von Geringqualifizierten sowie die Förderung von Arbeitslosigkeit Bedrohten ist weiterhin Folgendes zu beachten:
Abweichend zur oben beschriebenen Anpassungsqualifizierung bleiben auch während der Weiterbildung während Kurzarbeit die individuellen Fördermöglichkeiten für Geringqualifizierte bei Teilnahme an abschlussorientierten Maßnahmen sowie für von Arbeitslosigkeit Bedrohte nach § 81 SGB III bestehen.
Eine Förderung nach § 81 Abs. 1 und 2 SGB III ist auch während der Kurzarbeit möglich.
Lehrgangskosten werden auf Antrag der oder des Beschäftigten im Rahmen der Individualförderung in voller Höhe getragen. Die unmittelbar im Zusammenhang mit der Weiterbildung entstehenden sonstigen Weiterbildungskosten werden nach § 81 Abs. 1 oder Abs. 2 i. V. m. §§ 83 ff. SGB III übernommen.
In Fällen, die nach § 81 Abs. 1 oder 2 SGB III gefördert werden, ist auch nach Ende des Bezugs von Kug eine Förderung mit AEZ möglich.
Eine Erstattung der hälftigen Sozialversicherungsbeiträge ist bei Beginn der Weiterbildung während des individuellen Kug-Bezuges und Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach § 106a Abs.1 SGB III auch dann möglich, wenn die Lehrgangskosten über § 81 Abs. 1 oder 2 SGB III gefördert werden, statt nach § 106a SGB III.
HINWEIS: Aufgrund vieler Nachfragen zu den oben behandelten Themen beraten wir nur noch unsere Mitgliedsunternehmen oder an einer Mitgliedschaft interessierte Unternehmen. Anfragen von Privatpersonen werden nicht mehr beantwortet. Wir bitten um Ihr Verständnis.
- Telefon: 0561 1091-316
- Telefax: 0561 1091-390
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